Cembalomusik aus Frankreich. Der Interpret: jung und unbekannt. Der Komponist: sagt allenfalls Spezialisten was. Auf den ersten Blick alles nicht gerade aufregend. Aber sobald man die CD einlegt, öffnet sich die Pforte zu einem märchenhaften Feenreich.
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Der CD-Tipp zum Nachhören
Eine CD mit Cembalomusik. Das Label: fein, aber klein. Der Interpret: jung und unbekannt. Der Komponist: sagt allenfalls Spezialisten was. Eine CD, die man im Regal leicht übersieht zwischen Tenören mit Zahnpastalächeln und Dirigenten mit Donnerblick. Aber nimmt man sie schließlich doch in die Hand, geschieht das Wunder. Als würde man die unscheinbare Tür zum Speicher auf dem Dachboden öffnen und fände dahinter ein märchenhaftes Feenreich.
Da gibt es Spieluhren, die wie aus einem Traum hinüberklingen, und Vögel, die in den höchsten Tönen zwitschern: Da gibt es Zinnsoldaten, die eine Schlacht anzetteln und im Getümmel die Kanonen donnern lassen: Und sogar Orpheus tritt auf und eine böse Zauberin, aber auch ganz einfache Schäfer, die friedlich den Sonnenschein genießen.
Der Schöpfer dieser liebenswürdigen Zauberwelt heißt Jean-Francois Dandrieu. Heute ist er fast vergessen, nur ein paar Organisten spielen manchmal noch seine Weihnachtslied-Variationen. Damals, im 18. Jahrhundert, aber war er eine Berühmtheit weit über Paris hinaus - das erste deutsche Musiklexikon stellte ihn sogar Couperin und Rameau gleichrangig an die Seite. Dandrieu war ein Wunderkind; schon als Fünfjähriger entzückte der kleine Jean-Francois den Sonnenkönig mit seinem Cembalospiel. Später wird er - wie sein Onkel Pierre - Organist an der Pariser Kirche Saint-Barthélemy und teilt sich mit Couperin die Hoforganistenstelle bei Ludwig dem XV. in Versailles. Seine sechs Bücher mit Cembalomusik werden von den besten Kupferstechern der Zeit luxuriös ausgestaltet und gehören zu den erfolgreichsten Musikdrucken im barocken Frankreich.
Das alles wäre Schnee von gestern, würde nicht der französische Cembalist Marouan Mankar-Bennis die auf dem Papier teils recht dürren Noten wie von Zauberhand mit Leben erfüllen. Liebevoll hat er Dandrieus kleine Charakterstücke in Form einer imaginären fünfaktigen Oper angeordnet und auf zwei kontrastierende Instrumente verteilt: ein vornehmes, prachtvolles französisches Cembalo und ein rustikales flämisches Modell, das mit Hilfe eines Dämpfers flüstern kann wie eine Laute. Jedes Stück hat seinen eigenen Klang, jedes Stück erzählt seine eigene Geschichte. Marouan Mankar-Bennis bringt Dandrieus Notenköpfe mit seinen Verzierungen zum Sprechen, verbindet sie phrasierend zu Sätzen, verleiht ihnen durch kontrastierende Tempi Lebendigkeit. Das Ergebnis ist eine poetische, stellenweise sogar anrührende Cembalo-CD - viel zu kostbar, um sie im Regal zwischen den marktschreierischen Tenören und den glamourös glitzernden Pianistinnen verstauben zu lassen.
Jean-François Dandrieu
Marouan Mankar-Bennis | Cembalo
Label: Encelade
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 22. Juli 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK