Nach dem Barock, mit der beginnenden Klassik, war nicht mehr das Cembalo, sondern das Hammerklavier das Maß der Dinge. Wirklich? Pierre Gallon präsentiert auf dieser CD Werke "per il Cembalo solo" von Joseph Haydn.
Bildquelle: © L’Encelade
Der CD-Tipp zum Nachhören
Mozart wechselte wohl 1777, Haydn war anfangs skeptisch, dann aber begeistert: vom Hammerklavier. Gerade die rasante Entwicklung dieses Instruments scheint mit der Übergangszeit vom Barock zur Klassik fest verbunden. Allerdings war das Cembalo noch bis 1800 weit verbreitet und sogar beim frühen Beethoven blieb teilweise noch die Qual der Wahl. Nicht jeder hatte eben die Gelegenheit oder das nötige Kleingeld, sich ein angesagtes Modell von z.B. Anton Walter zu leisten. Das Cembalo war für Joseph Haydn das Hauptinstrument bis weit in die 1780er Jahre hinein. Auf diesem Instrument hat er improvisiert und komponiert, von diesem Instrument aus hat er wohl auch Aufführungen geleitet.
In den Dienst des Fürsten Esterházy trat Haydn 1761, fünf Jahre später wurde er Erster Kapellmeister und gleich darauf begann seine Sturm-und-Drang-Phase. Nach ausgiebigem Experimentieren mit großen formalen Freiheiten und harmonischen Wagnissen bildete sich dann in den 1770ern der Stil heraus, den wir heute als typisch "klassisch" empfinden. Und aus genau dieser Zeit der Wandlung und Selbstfindung stammen die ausdrücklich für Cembalo solo gedachten Werke, die Pierre Gallon hier auf einem hervorragenden Instrument von Jonte Knif eingespielt hat. Da steht etwa ein viersätziges "Divertimento" von 1766 neben zwei späteren "Sonaten", die trotz jetzt schon recht deutlich ausgeprägtem klassischen Ideal nur drei Sätze aufweisen.
Und er steht der Musik von Haydn sehr gut, dieser vermeintlich "veraltete" Cembaloklang. Die Mischung aus Leichtigkeit und Klangfülle passt hervorragend zu seiner komplett unprätentiösen Wesensart. Einzig in der seinem Dienstherren gewidmeten Sonate finden sich dramatisch gefärbte Passagen, bei denen man sich die fein abstufbare Farb- und Dynamikpalette eines guten Hammerflügels wünschen würde - aber auch dieses Werk ist explizit für Cembalo geschrieben.
Kurios auch, dass die hier eingespielten spätesten Stücke von 1781 ausgerechnet drei Liedbearbeitungen sind: Traut man doch gerade die Wiedergabe von gesanglichen Linien dem Klavier eher zu. Haydn dachte offenbar nicht so, und hier kann man auch hören, warum. Einen großen Anteil am Eindruck, den diese Musik macht, hat natürlich an erster Stelle der Interpret. Pierre Gallon trifft mit seinem schlackenfreien Spiel und großem klanglichen Einfühlungsvermögen genau die richtige Balance für die Möglichkeiten seines Instruments an der Epochengrenze. Eine Bereicherung des Repertoires, das die Geburtsstunde der Wiener Klassik weiter ausleuchtet.
Pierre Gallon | Cembalo
Label: L'Encelade
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 4. Februar 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK