Darin unterscheidet er sich von seinen barocken Kollegen in Frankreich: Der belgische Lautenist Saint-Luc entfernte sich vom Ideal des style brisé. Schön zu hören auf der neuen CD von Evangelina Mascardi.
Bildquelle: © Musique en Wallonie
Der CD-Tipp zum Nachhören
Beim style brisé werden auch Melodien gespielt wie Akkordbrechungen. So entsteht ein verästelt-fließendes Klanggewebe. Dagegen stellt Saint-Luc die melodischen Linien wieder stärker in den Vordergrund, verzichtet weitgehend auf das kunstvolle Ausspinnen der Harmonien und lässt dadurch auch die Gesamtform der Stücke klarer und unmittelbarer erscheinen. Aber um welchen Saint-Luc handelt es sich hier eigentlich? Lange ging man davon aus, dass alle hinterlassenen Werke von Jacques-Lucas de Saint-Luc stammen. Der war weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt und spielte einige Zeit in Paris als Theorbist der Chapelle royale.
Ein Lebensalter weit über 90 Jahre war aber immer wieder Anlass für Spekulationen. Nun gibt es neue Forschungsergebnisse, nach denen sein Sohn Laurent ebenfalls ein erfolgreicher Lautenspieler gewesen ist. Und dass Laurent es war, der schließlich nach Wien übersiedelte, nicht sein Vater. Wie dem auch immer sei, schöne Musik versammelt ist hier allemal und auch die zugeschriebenen Attribute verteilen sich wohl auf Vater und Sohn. Zwei komplette Suiten hat Evangelina Mascardi eingespielt, zwei weitere hat sie aus Einzelstücken zusammengestellt. Neben den üblichen Tanzsätzen, darunter zwei prächtige Chaconnen, finden sich auch viele Charakterstücke. Die sind vermutlich, ebenso wie die melodische Passion, eine Folge der Begeisterung für die Oper.
Evangelina Mascardi spielt diese Werke angenehm unaufdringlich. Sie verliert sich nicht in Details und macht bei eher zügigem Duktus doch jede musikalische Feinheit deutlich. Ihre gekonnt und nicht ausufernd gesetzten Verzierungen fügen sich organisch in die Kompositionen und unterstützen die Anlage der Stücke bestens. Bei großer spieltechnischer Leichtigkeit behält Evangelina Mascardi stets volle Kontrolle über Ton, Klang und musikalische Gestaltung. Die Musik von Laurent de Saint-Luc ist auch deswegen so interessant, gerade weil sie vom französischen Mainstream des späten 17. Jahrhunderts abweicht. Damit weist sie ein Stück weit in Richtung der künftigen Entwicklung der Lautenmusik.
Laurent de Saint-Luc
Evangelina Mascardi (Barocklaute)
Label: Musique en Wallonie
Sendungsthema aus "Tafel-Confect" vom 11. März 2018, 12.05 Uhr auf BR-KLASSIK