"Stünde der Name eines Mannes auf ihren Partituren, sie würden in ganz Europa gespielt" – das sagte Franz Liszt über Marie Jaëll, die er als Komponistin und Pianistin gleichermaßen schätzte. Nicht nur er übrigens, immerhin wurde die gebürtige Elsässerin 1887 als eine der ersten Frauen in die Pariser "Sociéte des compositeurs" aufgenommen.
Bildquelle: Label: Palazzetto Bru Zane
CD-Tipp 14.01.2016
Der CD-Tipp zum Nachhören!
Marie Jaëll hinterließ ein umfangreiches Oeuvre unterschiedlichster Genres von Klavierzyklen über Kammermusik bis zu großen Solokonzerten. Doch schon bald nach ihrem Tod 1925 erinnerte man sich nur noch an ihr klavierpädagogisches Werk, die sogenannte "Méthode Jaëll".
"Ich bin kein Weib, ich bin ein dunkler, feuersprühender Vulkan" – schrieb Marie Jaëll einer Freundin; entsprechend beunruhigend wirkte sie auf ihre Zeitgenossen. Es mochte ja noch angehen, dass Fräulein Trautmann bereits 16-jährig ihr Klavierstudium am Pariser Conservatoire mit dem ersten Preis abschloss; dass sie dann im vierhändigen Spiel mit ihrem Mann, dem berühmten Pianisten Alfred Jaёll, auf Tourneen durch ganz Europa Furore machte; ja, auch dass sie im Gegensatz zum zierlich eleganten Stil ihres Gatten energisch leidenschaftlich in die Tasten griff und das gesamte Klaviersolowerk Schumanns und Liszts sowie – erstmals in Frankreich - sämtliche Sonaten Beethovens zyklisch zur Aufführung brachte, konnte allenfalls noch als schicklich durchgehen.
Dass sie ihr Virtuosentum aber als Nebensache betrachtete und ernsthaft bei Gabriel Fauré und César Franck Komposition studierte; dass sie keine gefälligen Salonstückchen, sondern großangelegte, anspruchsvolle Orchesterwerke schrieb – das fanden selbst ernst zu nehmende Rezensenten irgendwie "unweiblich".
Zum Glück gab es den langjährigen Vertrauten und Seelenverwandten Franz Liszt, der Marie Jaёll "die Hände einer Künstlerin und den Geist einer Philosophin" attestierte. Dante liebten sie beide und Marie Jaёll widmete der "Divina Commedia" eine wahrhaft "jenseitige" Klaviertrilogie, die auszugsweise ebenso auf dem Porträt-Album der Stiftung Palazzetto Bru Zane zu finden ist wie vierhändige Walzer, zwei Solo-Klavierzyklen, eine humoristische Liederfolge für Sopran und Orchester, zwei Klavierkonzerte und ein hochexpressives Cellokonzert.
Die Brüsseler Philharmoniker unter Hervé Niquet, das Orchestre National de Lille unter Joseph Swensen, sowie neun internationale Solisten haben an der musikalisch hochkarätigen Veröffentlichung mitgewirkt, die das lebendige Porträt einer außergewöhnlichen Frau zeichnet. Kollege Saint-Saёns verglich die junge Marie Jaёll mit einem über die Ufer tretenden Wildbach, der sich mit der Zeit beruhigen und unbeirrt seinen ganz eigenen Weg finden würde…
"La légende des ours" (Lieder für Sopran und Orchester)
Konzert für Violoncello und Orchester F-Dur
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 1 und 2
Stücke für Klavier Nr. 1-12 "Les beaux jours"
Stücke für Klavier Nr. 1-12 "Les jours pluvieux"
u.a.
Diverse Solisten
Brussels Philharmonic
Leitung: Hervé Niquet
Orchestre national de Lille
Leitung: Joseph Swensen
Label: Palazzetto Bru Zane