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Album der Woche – Jakub Hrůša dirigiert Hans Rotts geniale Symphonie E-Dur

So kann es gehen: Jakub Hrůša, 41-jähriger Pultstar aus Brünn, war eines Nachts noch im Internet unterwegs, um mehr über Anton Bruckner und sein Umfeld erfahren. Neben Gustav Mahler stieß Hrůša bei seinen Recherchen auch auf den Namen Hans Rott. Der unbekannte Komponist aus Wien ließ Hrůša nicht mehr los. Und dessen Erste Symphonie hat ihn derart gepackt, dass er sie unbedingt aufführen und auch aufnehmen wollte. Die Bamberger Symphoniker, deren Chefdirigent Hrůša ist, hat er ebenso für das Projekt begeistern können wie die Deutsche Grammophon. Die Musik von Hans Rott – eine Entdeckung!

Bildquelle: Deutsche Grammophon

Der CD-Tipp zum Anhören

Schon die fanfarenartigen Lockrufe, mit denen Hans Rott das Scherzo seiner Ersten Symphonie eröffnet, klingen verdächtig nach Gustav Mahler. Aber weit gefehlt: Rott war seiner Zeit voraus – und Mahler war es, der sich später bei Rott bedient hat. In den höchsten Tönen lobte er Rott, der ihm als Symphoniker zum Vorbild wurde. Auch die Integration von volkstümlicher Tanzmusik zwischen Wirtshaus und Kirmes findet man schon bei Rott, die verwehten Walzer und deftigen Ländler.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, wer …
… sich gern überraschen lässt.

Dieses Album muss man haben, weil …
… man hier einen frühen Geniestreich in kongenialer Interpretation entdecken kann.

Dieses Album ist ein Hörgenuss, weil …
… Jakub Hrůša seine Bamberger Symphoniker zu höchster Klangkultur beflügelt. 

Dieses Album führt bei Überdosis dazu, dass …
… man dieses kühne, einer wilden Fantasie entsprungene Werk unbedingt mal live im Konzertsaal erleben möchte.

Hervorragende Klangkultur der Bamberger Symphoniker

Mit Gustav Mahler saß Hans Rott in derselben Wiener Kompositionsklasse, als Prüfungsstück reichte er den Kopfsatz seiner Ersten Symphonie ein. Nach vernichtender Kritik durch Brahms und die konservative Zunft entwickelte Rott einen Verfolgungswahn und starb 1884 mit nur 25 Jahren in der Wiener Psychiatrie. Anstoß erregten damals vor allem die Wagner-Anklänge, die an das feierliche Schreiten im "Parsifal" erinnern. Was für eine Klangkultur Jakub Hrůša in langjähriger Zusammenarbeit mit seinem Bamberger Orchester entwickelt hat, zeigt sich in solchen gesanglichen Momenten. Aber auch im vollen, weichen, runden Einsatz der Blechbläser, wenn Rott mit kühner Harmonik seinen Schmerz in die Welt hinausschreit.

Hrůša ist einer der besten seiner Generation

Einer, der wie Mahler große Stücke auf Rott hielt, war Anton Bruckner, eine Instanz in Wien. Bruckner prophezeite seinem Lieblingsschüler Rott eine große Zukunft. Überwältigend führt Hrůša vor, wie sehr Bruckners Klangwelt den jungen Rott beeinflusst hat. Jakub Hrůšas Begeisterung über diesen, überhaupt erst 1989 uraufgeführten Geniestreich überträgt sich sofort beim Hören. Seine ungemein sorgfältig erarbeitete Interpretation ist ein starkes Plädoyer für die eigentümliche Musik von Hans Rott. Der lange Atem, die Liebe zum Detail, der Zug zum Grandiosen – alles da. Nebenbei demonstriert die Produktion auch, dass die Bamberger Symphoniker auf Weltklasse-Niveau spielen – und dass Hrůša einer der besten seiner Generation ist.

Infos zur CD

Hans Rott:
Symphonie Nr. 1 E-Dur
Gustav Mahler:
"Blumine". Andante allegretto, Symphonischer Satz
Anton Bruckner (zugeschrieben):
Symphonisches Präludium c-Moll

Bamberger Symphoniker
Leitung: Jakub Hrůša

Label: Deutsche Grammophon

Sendung: "Piazza" am 12. November 2022 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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