Jeder kommt mit seinen Fähigkeiten: Im Inklusionsorchester "Die Bunten" machen Menschen mit und ohne Behinderung miteinander Musik. Dabei hilft ihnen ein besonderes Instrument.
Bildquelle: Denise Maurer
In der städtischen Sing- und Musikschule Augsburg proben "Die Bunten" konzentriert einen Paso Doble. Am heutigen Donnerstag sind neun Musiker und Musikerinnen gekommen. Sie spielen Trommeln, Akkordeon, Flöte – und vor allem Veeh-Harfen.
Der Klang dieses Instruments gefällt Manuel besonders gut. Er ist seit der Gründung des Ensembles 2015 mit Begeisterung an der Veeh-Harfe dabei. Aufgrund seiner Behinderung fährt ihn seine Mutter Renate für die Proben aus dem 30 Kilometer entfernten Thierhaupten hierher. Auch sie spielt eine etwas größere Veeh-Harfe: die Bassharfe.
An der Veeh-Harfe: Manuel und seine Mutter Renate motivieren sich gegenseitig im Inklusionsorchester "Die Bunten". | Bildquelle: Denise Maurer Herkömmliche Notenkenntnisse brauchen die Musikerinnen und Musiker im Ensemble "Die Bunten" nicht. Stattdessen liegt unter den Saiten des zitherartigen Instruments ein Blatt Papier mit schwarzen und weißen Punkten – analog zu halben und Viertelnoten. Beim Spielen zupft man also von oben nach unten die entsprechenden Saiten über den Punkten ab. So sind auch zweistimmige Melodien möglich. Manuel und seine Mutter Renate sind konzentriert und zielsicher dabei. Ganz einfach sieht es aber auch nicht aus. "Wenn es komplexer ist und die Noten sehr eng geschrieben sind, muss man schon ein bisschen üben", meint Renate. Und wie geht es Manuel? "Das fällt mir nicht schwer, das passt ganz gut."
So wie Renate und Manuel gibt es noch weitere Pärchen mit und ohne Handycap unter den Musizierenden. Musikschulleiter Karl Höldrich hilft Roland an der Trommel, indem er seine Hände unter Rolands schiebt und so dessen eingeschränkte Motorik trainiert. Leiterin und Gründerin Angelika Jekic spielt dazu Akkordeon, um die Gruppe im Takt zusammenzuhalten.
Wir brauchen ein bisschen länger, weil das Zwischenmenschliche eine große Rolle bei uns spielt.
Aufeinander hören, konzentriert sein, vorbereitet sein: "Die Bunten" haben viel mit einem gewöhnlichen Ensemble gemein, dennoch machen es die Unterschiede für Leiterin Angelika Jekic aus. "Die Vorbereitungszeit ist zeitintensiver", erzählt sie. "Wir brauchen eine Zeit zum Ankommen. Wir brauchen eine Zeit zur Verabschiedung. Wir brauchen ein bisschen länger, weil das Zwischenmenschliche eine große Rolle bei uns spielt."
2015 gründete Angelika Jekic das Ensemble "Die Bunten". Ihr Ziel: Jeder Mensch soll die Chance auf kulturelle Teilhabe bekommen. | Bildquelle: Denise Maurer
Vor sieben Jahren gründete Angelika Jekic das Ensemble aus der Überzeugung heraus, dass jeder Mensch, die Chance auf kulturelle Teilhabe haben soll. Damals waren es zwölf Leute. Nach erheblichen Ausfällen während der Pandemie sind es mittlerweile 25 Musizierende im großen Orchester, das mittwochs probt, und zehn im kleinen Ensemble am Donnerstag.
Viele der Musiker und Musikerinnen, die an diesem Donnerstag proben, sind von Anfang an dabei. Nicht zuletzt, weil sie ihre Leiterin sehr schätzen, sind sie geblieben. So hat Barbara mit Anfang 70 wieder Freude am Akkordeon gefunden. Es sei die tolle Atmosphäre, die Geduld der Leiterin und die Verweigerung von Leistungsdruck, der alle letztendlich zur Leistung anspornt.
Das Wichtigste für Angelika Jekic ist: Jeder kann dabei sein, am Ende zählt das Wir-Gefühl. "Jeder kommt mit seinen Fähigkeiten und aus diesen Fähigkeiten entwickeln wir Fertigkeiten. Für meine Arbeit ist das etwas unendlich Wichtiges", so die Ensemble-Leiterin. Inklusion bedeutet für sie, jeden Menschen anzunehmen. "Dann ist dieser Inklusionsgedanke so fließend, dass wir manchmal nicht mehr wissen, wen wir denn jetzt inkludieren."
Jeder kommt mit seinen Fähigkeiten und aus diesen Fähigkeiten entwickeln wir Fertigkeiten.
Inklusion ist auch für Musikschulleiter Karl Höldrich ein wichtiges Feld: "So oft ich kann, bin ich in den Gruppen und nehme teil. Das ist auch für mich etwas Besonderes: Ein besonderes Musizieren, ein besonderes soziales Miteinander." Für jede Musikschule sei das erstrebenswert.
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