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Album der Woche – Mozarts Klavierkonzerte Mit Kristian Bezuidenhout und Freiburger Barockorchester

Hammerklavier – das klingt martialisch. Aber in Wirklichkeit waren die alten Klaviere, wie Mozart und Beethoven sie kannten, viel zarter und kleiner als die modernen Flügel. Und das hat große Vorteile, jedenfalls bei diesem Album mit zwei Mozart-Klavierkonzerten. Eingespielt hat sie der Hammerklavier-Spezialist Kristian Bezuidenhout zusammen mit dem Freiburger Barockorchester.

Bildquelle: harmonia mundi

DER CD-TIPP ZUM ANHÖREN

Wenn Mozart komponierte, hatte er genau im Kopf, für wen. Die zwei Klavierkonzerte auf diesem tollen Album sind für zwei große Pianistinnen geschrieben. Seltsame Zeiten waren das: Dass Frauen öffentlich Cello spielen beispielsweise, war undenkbar. Am Cello muss man die Beine breit machen. Das sei unschicklich für Frauen, hieß es. Aber öffentlich Klavier spielen – das ging für Frauen. Sogar sehr gut. Jedenfalls solange sie unverheiratet waren.

Mozart schrieb Klavierkonzerte für Pianistinnen

Mozart hat immer gerne mit großen Künstlerinnen zusammengearbeitet. Zum Beispiel der Pianistin Louise Victoire Jenamy. Sie muss eine außergewöhnliche Virtuosin gewesen sein. Denn für sie schrieb er eines seiner erstaunlichsten Werke: das sogenannte Jenamy- oder Jeunehomme-Konzert. Dass ein Klavierkonzert so beginnt, war damals revolutionär. Eigentlich hatte erstmal das Orchester das Wort. Erst nach zwei, drei Minuten kam das Klavier solistisch dran. Doch für die Pianistin Louise Victoire Jenamy sprengte Mozart die Konvention. Schon nach wenigen Takten fällt das Klavier dem Orchester ins Wort. Hier sagt jemand selbstbewusst "ich", hier lässt sich eine einzelne Stimme nichts vorgeben vom Kollektiv.

Und revolutionär geht es weiter. Der langsame Satz ist wie eine tieftraurige Opernszene. Und das Finale schachtelt einfach zwei Sätze mit unterschiedlichem Takt ineinander. Mit 20 hat sich Mozart was getraut. Fast noch mehr als im B-Dur-Konzert KV 456, das sieben Jahre später entstanden ist – ebenfalls für eine Pianistin. Auch Maria Theresia von Paradis war eine starke Persönlichkeit: Obwohl sie erblindet war, trat sie in ganz Europa auf.

Kurz und bündig

Dieses Album wird lieben, …
… wer keinen "Streichelmozart" mag.

Dieses Album hat gefehlt, weil ...
... Aufnahmen mit historischen Instrumenten selten dieses technische Niveau erreichen.

Dieses Album hört man am besten …
… zu jeder Tages- und Nachtzeit, weil Mozart Tiefsinn und Leichtigkeit verbindet und alle Höhen und Tiefen des Lebens kannte.

Mozart-Spezialist Kristian Bezuidenhout

Der Pianist Kristian Bezuidenhout ist einer der besten Mozart-Interpreten, die derzeit herumlaufen. Vielleicht der beste unter denen, die sich auf historische Tasteninstrumente spezialisiert haben. Bezidenhout spielt auf dem modernen Nachbau eines Hammerflügels von 1805. Neun Jahre nach Mozarts Tod klangen die Instrumente schon etwas voller als zu seinen Lebzeiten. Aber sie haben immer noch die faszinierende Reaktionsschnelligkeit und Farbenfülle der Hammerflügel, die Mozart kannte.

Hammerflügel klingt befreit und lebendig

Moderne Flügel, so schön sie klingen, haben ja einen entscheidenden Nachteil bei Mozart: Man kann darauf nie so laut spielen, wie es geht – weil das für diese Musik viel zu fett und brutal klingen würde. Deswegen wirkt Mozart auf modernen Instrumenten oft arg lieb und wohlerzogen. So war er nicht. Auf einem Hammerflügel kann man dagegen hemmungslos fortissimo spielen, einfach richtig zulangen – und es passt. Auch deshalb hat diese Interpretation etwas wunderbar Frisches. Das klingt befreit, lebendig, wenn nötig auch mal heftig. Dann wieder zart und intim, aber immer sprechend und atmend. Das Freiburger Barockorchester ist ein wacher Dialogpartner, der auf Bezuidenhouts Impulse inspiriert antwortet. Kein Streichelmozart. Sondern einer, der sich unerhörte Dinge traut. Weil er von großen Pianistinnen inspiriert wurde.

Infos zur CD

W.A. Mozart: Klavierkonzerte K. 271 und 456
Freiburger Barockorchester, Kristian Bezuidenhout

Label: harmonia mundi

Sendung: "Piazza" am 3. September 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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