Rund 170 Chorbücher hat die Bayerische Staatsbibliothek in München in ihrer Musiksammlung, darunter wertvolle Handschriften aus dem 16. und 17. Jahrhundert von Josquin Desprez und Orlando di Lasso. Tinte und Papier der Bücher sind inzwischen so fragil, dass sie nur mit Handschuhen durchgeblättert werden dürfen. BR-KLASSIK Reporterin Ute Elena Hamm hat sich eines der prachtvollen Originale zeigen lassen.
Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek
Rote Schutzkassetten reihen sich mehrere Meter in einem Regal aneinander. Das Licht ist schummrig, die Luft kühl. Im Musikhandschriften-Magazin der Bayerischen Staatsbibliothek wird ein besonderer Schatz aufbewahrt: originale Chorhandschriften aus der Renaissance. Rund 170 Handschriften umfasst der Bestand. Der Großteil stammt von Münchner Hofkapellmeistern und Hofkomponisten des 16. und 17. Jahrhunderts, darunter Orlando di Lasso und Ludwig Senfl. Auch ausgeschmückte Handschriften aus dem Privatbesitz der Wittelsbacher Herzöge gehören zur Sammlung.
Wertvolle Chorhandschrift von Josquin Desprez | Bildquelle: Bayerische Staatsbibliothek Bernhard Lutz, Bibliothekar aus der Musikabteilung, packt vorsichtig ein besonders wertvolles Exemplar aus. Es trägt die Signatur Mus.ms.510. "Das ist wahrscheinlich ein Chorbuch aus dem Jahr 1518." Auf der ersten Doppelseite sind jeweils wenige Zeilen mit großen, eckigen Noten in schwarzer Tinte beschrieben: ein vierstimmiges Kyrie von Josquin Desprez. Die farbenfrohe Illustration links oben zeigt eine Verkündigungsszene.
Die Tinte hat über die Jahrhunderte das Papier angegriffen. Es ist rissig, manchmal wurmstichig. Anfassen ist nur mit Handschuhen erlaubt und die Bücher dürfen nie weiter als 90 Grad aufgeschlagen werden. Das erschwert natürlich die Benutzung, gibt Bernhard Lutz' Kollegin Veronika Giglberger zu: "Es gibt ein paar Chorbücher, die so heikel sind, dass man sie nach Möglichkeit überhaupt nicht verwendet." Doch das ist schade, denn für Musikwissenschaftler, Kunst- und Kulturgeschichtler oder Theologen sind die Chorbücher eine wahre Fundgrube. Aus diesem Grund hat die Bayerische Staatsbilbiothek die Chorbücher nun aufwendig restauriert und anschließend digitalisiert: Drei Jahre lang wurde Seite für Seite eingescannt. Der Einband, der Buchrücken, die Musik, die Illustrationen – jedes kleine Detail kann man ab sofort im Internet bewundern. Die schönsten Exemplare hat die Bayerische Staatsbibliothek auf www.chorbuch2016.de in einer Bildergalerie zusammengestellt.
Die einzelnen Arbeitsschritte der Digitalisierung hat die Bayerische Staatsbilbiothek in einem Video festgehalten.
"Für Auge und Ohr"
18. März 2016, 20 Uhr
Konzert in der Allerheiligen-Hofkirche München
Brabant Ensemble
Videoprojektionen von Tobias Neumann
Das Konzert wird von BR-KLASSIK aufgezeichnet. Zum Konzertprogramm.