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Instrument des Jahres 2022 Das Drumset und seine Geschichte

Wie viele Instrumente kann ein Mensch gleichzeitig spielen? Ganz schön viele. Zeigt sich zumindest bei Schlagzeuger*innen. Das Drumset ist Instrument des Jahres 2022 – Grund genug, mal nachzuforschen, warum ein Exil-Deutscher diese Instrumentenzusammenstellung in einer amerikanischen Garage erfunden hat.

Drumset | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

USA, Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts: Die Kultur und Musikszene blüht. Musical Theater, Burlesque Shows, Zirkustruppen und Tanzbands reisen durch die Lande und unterhalten die Leute mit einem bunten Mix der Musikgenres. Und: Es ist auch die Geburtsstunde des Ragtimes und des Jazz. Durch die vielen Einwanderer aus der ganzen Welt kommen die verschiedensten Schlaginstrumente in die USA. William F. Ludwig wandert als Kind mit seinen Eltern aus Deutschland in die Vereinigten Staaten aus. Bald darauf spielt er Schlagwerk im Zirkus und im Chicago Symphony Orchestra.

Aus Geldnot entstehen erste Schlagwerk-Maschinen

Um Geld zu sparen, soll William F. Ludwig die Arbeit von den üblichen zwei oder drei Schlagzeugern an den Becken und Trommeln selber übernehmen. Eine Technik, bei der die große Trommel und die Snare Drum mit den Stöcken gespielt wurde. Die große Trommel wurde aufgestellt und rechts daneben wurde die kleine Trommel auf einen Stuhl gestellt. So erklärt András Varsányi, ehemaliger Leiter der Instrumentenabteilung des Stadtmuseums München und selbst Schlagzeuger, diese ersten Aufstellungen mehrerer Trommeln für einen Spieler: "Die frühen Versuche, ein Setup für ein Drumsets zu entwickeln, führten also dazu, dass die ersten kleinen Maschinen gebaut wurden."

Wir haben also eher den Eindruck Marke Eigenbau.
András Varsányi über die ersten Drumsets

Eine dieser kleinen Maschinen ist das Pedal für die Bass Drum – oft auch in Verbindung mit einem kleinen Becken am Boden, das gleichzeitig angeschlagen werden kann. Ein Spieler kann nun viele Klänge auf einmal kombinieren. Diese ersten Sets sind allerdings weniger feinmotorisch, langsam und schlecht zu transportieren.

Das frühe Drumset macht Karriere beim Stummfilm

Genau hier geht die Geschichte des Tüftlers William F. Ludwig in seiner Garage weiter: 1909 entwickelt er ein neues Pedal für die Bass Drum. Es ist schneller und handlich. 1909 ist auch das Jahr, in dem er mit seinem Bruder Theobald die Ludwig & Ludwig Drum Company gründet. Die Maschinen des Tüftlers für den Ein-Mann-Gebrauch stehen von da an hoch im Kurs. Vor allem bei den Schlagzeugern in der Stummfilmbranche. Von Kirchenglocken bis zu Zugpfeifen: Für die vielen Geräusche im Film braucht es ein großes Sammelsurium von Effektinstrumenten. Etwa Bass Drum und Hi-Hat, dazu zwei oder mehrere Becken, chinesische Tom Toms, Kuhglocken, Blassirene oder Kuckuckspfeife. "Es war ein großes Arsenal, mit dem man eben die Geräusche in den Stummfilmen und Theatern vorführte", erklärt Varsányi. Diese Vielfalt beeinflusste den Ragtime genauso wie klassische Komponisten: Etwa Igor Stranwinsky für sein Musiktheater "Die Geschichte vom Soldaten" mit einer vielfältigen Aufstellung an Schlaginstrumenten.

Nach Einführung des Tonfilmes wurden die Musiker beim Stummfilm arbeitslos. Viele spezielle Instrumente verschwanden, und das wiederum "führte dann auch dazu, dass in den Bigbands das Drumset immer mehr standardisiert wurde", so Varsányi. Und wieder ist es das Unternehmen von William F. Ludwig, das hier ein solches standardisiertes Drumset 1918 auf den Markt bringt. Und bis auf geringere Änderungen wie zusätzliche Tom Toms und Becken und das Double Bass Pedal, bei dem ein Trommelwirbel auf der Bass Drum möglich ist, hat sich die Konstellation eines Drumsets bis heute kaum verändert.

Und die Firma Ludwig: Sie erfährt ihren Höhepunkt in den Anfängen des Rock’n Roll und Pop in den 1960ern. Ringo Starr, der Drummer der Beatles spielt auf dem Oyster Black Pearl Model und bringt die Massen zum Toben. Und auch in der Klassik ist das Schlagwerk als Soloinstrument heute im Scheinwerferlicht angekommen.

Sendung: "Allegro" am 17. Januar 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-Klassik.

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