Über fünf Millionen Menschen in Deutschland singen in Chören – ein beeindruckender Beweis für die Freude am gemeinsamen Singen. Ob in Kirchen, Schulen oder Unternehmen: Chöre stärken Gemeinschaft und fördern das Wohlbefinden.
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Über fünf Millionen Menschen in Deutschland singen in ihrer Freizeit im Chor. Eine repräsentative Studie des Deutschen Musikinformationszentrums aus dem Jahr 2021 zeigt, dass das gemeinsame Singen einen besonderen Reiz ausübt. Chöre finden sich in Kirchengemeinden, Schulen, Universitäten und sogar in Unternehmen. Selbst das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig hat einen eigenen Chor!
"Singen ist wie Sport für die Laune", sagt Lin Gothoni. "Ich fühle mich danach immer besser." Lin Gothoni, Schauspielerin und Mitglied des Berliner Kammerchors Vocantare, berichtet von den wöchentlichen Proben, in denen anspruchsvolle Konzertprogramme einstudiert werden. Die meisten Chormitglieder singen schon seit ihrer Kindheit und nehmen oft Gesangsunterricht. In einem Kammerchor mit rund 30 Mitgliedern muss jeder Ton sitzen, und es wird erwartet, dass sich jede und jeder eigenständig mit den Werken auseinandersetzt. "Proben ist das Kennenlernen der anderen Stimmen", erklärt Chorleiter Tobias Walenciak. "Es geht darum, einen homogenen Klang zu formen."
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Vom Glück zu singen
Die positive Wirkung des Singens auf die Seele ist wissenschaftlich belegt. Schauspielerin Anke Engelke initiierte vor etwa zehn Jahren das Experiment "Chor der Muffeligen", um herauszufinden, ob Singen Menschen in Krisensituationen zu mehr Wohlbefinden verhelfen kann. Gemeinsam mit Gunter Kreutz, Professor für Musikwissenschaft, stellte sie fest: "Die Chormitglieder berichten nicht nur von einem besseren Befinden, sondern beim Singen steigt auch der Spiegel von Oxytocin, dem sogenannten ‚Kuschelhormon‘." Das Ergebnis? Singen macht glücklich!
Das Projekt mündete in einem großen Konzert in der Kölner Philharmonie, und der Chor entschloss sich, unter dem Namen "Glückschor" weiterzumachen. Heute probt der Chor jeden Mittwoch im Bürgerzentrum Köln-Nippes und ist für viele Mitglieder das Highlight der Woche.
Einmal in der Woche zusammenkommen und gemeinsam singen – das empfinden viele Menschen als wohltuenden Ausgleich zum Alltag. Diese Erfahrung ist besonders wertvoll für diejenigen, die nicht viele Möglichkeiten haben, dem Alltag zu entfliehen. In vielen Gefängnissen gehören Chöre zum Freizeitangebot. So auch in der JVA Bayreuth, wo der einzige Gefängnischor Deutschlands außerhalb der Haftanstalt auftritt. Diese Auftritte bieten den Inhaftierten die Chance, Erfolgserlebnisse zu sammeln und neue Perspektiven zu gewinnen.
Chorsingen fördert nicht nur die Gemeinschaft, sondern auch die körperliche Gesundheit. Besonders für ältere Chorsängerinnen und -sänger stehen Aspekte wie Atem- und Lungenleistung im Mittelpunkt. Angesichts der alternden Gesellschaft haben Seniorenchöre Hochkonjunktur.
Ein bemerkenswerter Chor für "ältere Semester" probt jeden Mittwoch in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs: der Ernst-Busch-Chor, gegründet 1973. Die Mitglieder, viele über 70, widmen sich der Aufführung von alten Arbeiter- und Friedensliedern. "Singen ist eine Sache, die lebensverlängernd und lebensbejahend ist", bemerkt ein Chormitglied. Sie lernen die Texte auswendig, denn "man kann Friedensappelle schlecht vom Blatt absingen."
Sendungshinweis: KlassikPlus - Das Musikfeature, 11. Oktober 2024 ab 19.05 Uhr auf BR-KLASSIK. Die Sendung können Sie hier noch 7 Tage lang nachhören.
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