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Die Geigerin Hilary Hahn Der Reiz des Dialogs

Für ihre Auftritte mit großem Orchester wird die US-amerikanische Stargeigerin Hilary Hahn regelmäßig bejubelt. Nun gastiert sie in München mit einem Kammermusikprogramm - zusammen mit dem Pianisten Robert Levin. Am 13. März spielt sie mit ihm im Münchner Herkulessaal Werke von Bach, Abril, Mozart, Türk und Schubert.

Geigerin Hilary Hahn | Bildquelle: © Peter Miller

Bildquelle: © Peter Miller

BR-KLASSIK: Wir kennen Sie als Solistin mit großen Orchestern auf großen Bühnen. Jetzt sind Sie mit einem Kammermusikprogramm unterwegs, spielen zusammen mit dem Pianisten Robert Levin. Was ist denn anders, wenn Sie Kammermusik machen und dabei alleine oder zu zweit auf der Bühne stehen als mit 100 anderen Musikern?

Hilary Hahn: Die Vorbereitung ist unterschiedlich. Wir haben ganz viel Zeit zum Vorbereiten und zum Proben. Mit Orchester hat man dagegen nur zwei Proben und dann wird schon das Konzert gespielt, weshalb ich hierbei mehr aus der Erfahrung heraus, vom Instinkt her spiele und auch spontane Ideen umsetze. Mit Kammermusikpartnern ist das alles ebenso möglich. Aber es kann außerdem ein bisschen mehr vorausgeplant werden. Da gibt es sowohl die Freiheit wie auch Planungsmöglichkeit - und beides steht im Gleichgewicht.

BR-KLASSIK: Sprechen Sie bei der Vorbereitung darüber, welche Vorstellungen der eine und welche der andere vom Stück hat? Sie spielen in München ja zum Beispiel die Bach-Sonate Nr. 6.

Hilary Hahn: Die Stimmungen, Phrasierungen und Stimmen im Kontrapunkt leiten ja die Musik. Wir sprechen über alles und wir können vorab Entscheidungen treffen. Aber auf der Bühne kann es dann total umgekehrt sein. Man hat eine Idee und versucht, irgendetwas Neues zu spielen. Und dann reagiert der andere. Sodass wirklich ein Dialog entsteht. Aber diese Bach-Sonate ist im Grunde ein Trio: Es gibt die beiden Stimmen im Klavier und eine Stimme in der Violine. Das unterscheidet sich von Mozart oder Schubert.

BR-KLASSIK: Wie ist es denn mit den unterschiedlichen Duo-Partnern. Ist das Musizieren auch immer merkbar anders?

Hilary Hahn: Ja, und das passiert auch mit Dirigenten. Ich arbeite jede Woche mit ganz vielen Dirigenten, immer mit jemand anderem. Man ändert die Art zu sprechen, je nachdem, mit wem man spricht. In der Musik ist es ähnlich. Und wenn man gemeinsam Kammermusik macht, dann gibt es dabei ganz vielfältige Möglichkeiten: Sich etwa mehr Zeit zu nehmen oder schneller, lauter oder leiser zu musizieren.

BR-KLASSIK: Sie sind US-Amerikanerin, haben weit entfernte deutsche Vorfahren und sprechen sehr gut Deutsch. Sie haben die Sprache in der Schule gelernt. Jetzt stehen auf Ihrem Programm Werke von Bach, Mozart, Schubert - also aus dem deutschsprachigen Raum. Haben Sie zu ihnen eine spezielle Nähe?

Hilary Hahn: Ich habe Deutsch mit zwölf Jahren angefangen. Gleichzeitig habe ich in dieser Zeit auch ganz viele Werke gelernt, die von deutschen Komponisten stammen. Ich kann es eigentlich nicht voneinander trennen, finde aber, dass normalerweise die Muttersprache einen Rhythmus und ein Muster hat, die auch in der Musik repräsentiert sein können. Und ich glaube, dass diese Phrasen, Töne und musikalische Ideen auch von der Sprache kommen können.

BR-KLASSIK: Das heißt, es hilft Ihnen auch, die deutsche Sprache zu sprechen, um diese Musik leichter zu verstehen und einen besseren Zugang zu haben?

Hilary Hahn: Hoffentlich.

BR-KLASSIK: Im Konzert im Herkulessaal spielen sie eine Solo-Partita von Anton Garcia Abril, einem spanischen Komponisten, den Sie auch persönlich kennengelernt haben. Macht das etwas aus?

Hilary Hahn: Es hilft, wenn ich mit dem Komponisten sprechen kann. Ich kann dann Fragen stellen und wenn ich eine Antwort haben möchte, dann bekomme ich sie auch. Wenn der Komponist nicht zu erreichen ist, dann ist es ein bisschen schwieriger. Dann muss man einfach raten. Deshalb habe ich Anton Garcia Abril gefragt, ob er eine Serie von Sonaten oder Partiten für Solo-Violine mit Polyphonie schreiben könnte. Und er hat gesagt: "Warum? Ich kann das nicht machen. Was soll ich denn schreiben?" Er ist sehr bescheiden. Und eines Tages ist er mit einer Partitur von diesen sechs Partiten für Solo-Violine zu mir gekommen.

Er hat sie eigentlich als Überraschung für mich komponiert, weil ich ihn so oft gefragt hatte. Die Anfangsbuchstaben der sechs Partiten-Titel ergeben HILARY. Das war sehr süß von ihm. Wenn man die Stücke hört, denkt man, dass sie einfach sind, dass sie rhythmisch sehr frei und melodisch sind. Aber wenn man sie spielt, merkt man, wie kompliziert sie sein können. Und das macht es interessant für mich, weil ich darin immer etwas Neues finden kann.

BR-KLASSIK: Und es ist natürlich auch schön, ein persönliches Werk geschrieben zu bekommen.

Hilary Hahn: Ja, doch. Und er weiß, wie ich spiele. Deshalb kann er etwas für mich schreiben, was ich gut spielen kann.

Das Gespräch führte Kathrin Hasselbeck für BR-KLASSIK.

Kammermusik mit Hilary Hahn und Robert Levin

Montag, 13. März 2017, 20.00 Uhr
Herkulessal, München

Hilary Hahn, Violine
Robert Levin, Klavier


Konzertprogramm:

Johann Sebastian Bach
:
Sonate G-Dur für Violine und Klavier, BWV 1019
Anton Garcia Abril:
Solo-Partita für Violine Nr 5, "Reflexive"
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sonate für Klavier und Violine Es-Dur, KV 481
Hans Peter Türk:
"Träume" für Klavier (Robert Levin gewidmet)
Franz Schubert:
Rondo h-Moll für Violine und Klavier, D. 895

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