So uneins man sich in politischen Dingen ist, in einem scheinen sich die Parteien einig: Pop gewinnt Wahlen. Quatsch, meint BR-KLASSIK-Autor Tobias Stosiek. Voilà – eine kleine musikalische Wahlkampfhilfe.
Bildquelle: dpa/ BR
Für die CDU war's eine Sternstunde, allerdings keine musikalische. Ein Septembersonntag vor acht Jahren, Wahlabend im Adenauerhaus. Merkel gewinnt, und zwar ziemlich deutlich, und auf der Bühne wackelt, wippt und wedelt die Parteispitze. Aus den Boxen dröhnen die Toten Hosen und Volker Kauder, der seine musische Seite bis dato gut versteckt hat, gibt endorphinbesoffen und mikrophoniert das Feierbiest. Wie gesagt: eine Sternstunde der CDU.
Und: ein Popkonzert des Grauens. Dachten sich auch Die Toten Hosen. Die fanden die CDU nämlich nicht ganz so toll wie die CDU ihren Song und waren ziemlich pissig. Und das ist kein Einzelfall. Dass sich Popkünstlerinnen und -künstler über die politische Instrumentalisierung ihrer Musik beschweren, hat Tradition. Vor allem in den USA. Und nicht erst seit Trump.
Deshalb ein Vorschlag zur Güte: Vergesst den Pop – Wahlkampf ab jetzt nur noch mit klassischer Musik! Die Gründe liegen auf der Hand. Erstens: Ihre Schöpfer sind in der Regel lange tot. Also nervt keiner rum. Und zweitens: Es ist für alle was dabei.
Denken wir nur an die Wahlwerbung der Grünen: Ein schöner Land und so weiter. Ein Spot, der der Partei vor allem eines gebracht hat: Spott. chlauer wär‘s gewesen, hätte sich Baerbock für die klassische Alternative entschieden: die Pastorale. Good old Beethoven. Naturbezug – check. Pathos – check. Und peinlich? – Gar nicht. In der Pastorale singt nämlich keiner.
Und auch für die CDU gäbe es klassische Lösungen. Laschet muss sich dieses Jahr nicht auch noch von den Toten Hosen bashen lassen. Im Gegenteil. Am Wahlabend steht er allen Voraussagen zufolge selbst vor der Qual der Wahl. Requiems gibt’s ja wie Sand am Meer. You name it, Armin!
Machs nochmal, Kevin! Und bitte anders. | Bildquelle: Kay Nietfeld/dpa
Aber leider ist das Offensichtliche bei den Wahlkampfstrateginnen und -strategen noch immer nicht angekommen. Da reicht ein Blick auf die Playlists, die sämtliche Parteien, die AFD ausgenommen, auf Deezer veröffentlicht haben. Klassik: Fehlanzeige. Stattdessen regieren, um es mal wahlkämpferisch auszudrücken, Proporz und Mutlosigkeit. Sogar bei der SPD, die ihre Playlist immerhin vom angeblich ultraradikalen Albtraum des bürgerlichen Lagers hat kuratieren lassen: Kevin Kühnert. Wenigstens ein bisschen was vom ultralinken Hanns Eisler hätte man da erwartet. Stattdessen: Roland Kaiser. Ok.
Da möchte man sich dann doch dem Retweet des Genossen Lars Klingbeil anschließen: Kevin, wir müssen reden.
Sendung: "Allegro" am 17. September 2021 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Freitag, 17.September, 16:19 Uhr
Beate Schwärzler
"Kevin, wir müssen reden" - ZUGABE/ Tobias Stosiek
Ihr werdet immer n o c h besser mit Eurer "Zugabe".
Und diese da war - Spitze ! - und überfällig !
Mir ist bang vor führenden Politikern, die von Kunst so gar nichts verstehen.
Und von Musik erst recht nicht.
"Man" hat ja gesehen mit Corona, wohin das führt.
Aber einen haben Sie vergessen, Herr Stosiek: Den Herrn Bundespräsidenten Persönlich.
Hat sich Frank-Walter Steinmeier doch, s'ist noch nicht lange her, begleiten lassen von
einem jungen Möchtegern, der nix, rein gar nix versteht von Poesie, von Melodie, von Gefühl - .
Der in einer Talkshow ein paar hölzerne Worte von Liebe oder so in die Manege schmeißt
und... - der Rest war Graus.
"Man soll ja junge Menschen nicht entmutigen..." - mehr habe ich auch später, viel später
dann zu vermerken mir erlaubt. Ohne Namensnennung, selbstverständlich. "Man soll ja nicht...."
Aber Kevin Kühnert - d e r auch?
Mit Kevin Kühnert, den ich mag, würde ich mich gerne auch mal unterhalten...