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Nach dem Urteil gegen Siegfried Mauser Wie reagiert die Bayerische Akademie der Schönen Künste?

Am 17. Oktober tagt die Musikabteilung der Bayerischen Akademie der schönen Künste. Deren ordentliches Mitglied ist Siegfried Mauser. Durch drei Instanzen ging ein Prozess um sexuelle Nötigung während Mausers Amtszeit als Rektor der Münchner Musikhochschule. Vergangene Woche hat der Bundesgerichtshof ein Urteil des Münchner Landgerichts bestätigt. Wie gehen die Institutionen, die er geleitet hat, mit dem Urteil um? Und was ist mit seinem Erbe, seiner Lebensleistung? Im November steht Mausers 65. Geburtstag bevor. Eine Festschrift ist angekündigt. Ein Kommentar von Bernhard Neuhoff.

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Sina Schuldt

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Manche Sätze prägen sich ein – und sei es nur wegen einer Alliteration. "Damen, deren Avancen zurückgewiesen werden, gleichen tückischen Tellerminen." Im Mai 2016 erschien in der Süddeutschen Zeitung eine Seite mit Leserbriefen zum Fall Mauser. Alle verteidigten ihn und übten Richterschelte. Damals war gerade das erste Urteil gesprochen worden. Der Schriftsteller Hans Magnus Enzensberger fand den Satz, der im Gedächtnis blieb. Auch der Schriftsteller Michael Krüger, damals Präsident der Bayerischen Akademie der schönen Künste, unterstellte Mausers Opfern einen "Racheakt oder (…) ein Komplott".

Aus dem Täter sollte ein Opfer gemacht werden

Nun sind diese Unterstellungen, die aus Opfern Täter machen sollten, endgültig vom Tisch. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil gegen Mauser bestätigt. Ihm bleibt der Gang vors Verfassungsgericht, aber die Haft muss er antreten. Die Münchner Musikhochschule hat sich bei seinen Opfern offiziell entschuldigt. Und sie hat ein Bündel von Maßnahmen ergriffen, die glaubhaft machen, dass sie sich dem Problem ernsthaft stellt. Niemand sollte so tun, als sei das alles einfach. Ja, der Rechtsgrundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" muss gelten. Und das Vertrauensverhältnis im Einzelunterricht ist etwas Kostbares. Gerade deshalb ist es so wichtig, dass Opfer sich trauen, von Übergriffen zu reden. Das tun sie nur, wenn sie das Gefühl haben, in einem fairen Verfahren Gehör zu finden. Auch dann, wenn der Täter so berühmt und mächtig ist, wie Siegfried Mauser es seinerzeit war.

Die Akademie muss endlich ein Signal setzen

Die unsägliche Leserbriefaktion hat eindrucksvoll demonstriert, dass es damals tatsächlich Mut brauchte, selbst für eine Professorin, sich juristisch gegen die Übergriffe eines so gut vernetzten Mannes zu wehren. Deshalb sollte die Musikabteilung der Bayerischen Akademie, die früher von Mauser geleitet wurde, morgen dem Beispiel der Münchner Musikhochschule folgen: Die Akademie sollte ein klares, in die Zukunft weisendes Signal setzen. Dabei geht es überhaupt nicht darum, den Verurteilten noch weiter herabzustoßen. Es geht ganz einfach um den Respekt vor den Opfern. Sie sollten im Fokus stehen. Wer einem in Not geratenen Freund beistehen will, verdient ebenfalls Respekt – aber nur dann, wenn er dessen Fehlverhalten klar benennt und vor allem: wenn er anerkennt, dass der Freund anderen Leid zugefügt hat. Was spricht dagegen, dass man sich dem Thema Übergriffe an Musik- und Kunsthochschulen in einer offenen Debatte stellt? Kluge Köpfe gibt es genug in der Akademie. Nur leider zu wenige Frauen, aber das ist ein anderes Thema.

Respekt für die Opfer

Und was ist mit der geplanten Festschrift zu Mausers 65. Geburtstag? Sie wird nicht von der Akademie herausgegeben, aber zahlreiche ihrer Mitglieder beteiligen sich daran. Mausers Leistungen bleiben unbestritten. Das mindeste wäre aber, dass ein Vorwort klarstellt, wie so ein Buch zu verstehen ist. Dass es gerade nicht im Sinne jener fatalen Leserbriefaktion als Reinwaschung auf Kosten der Opfer gedacht ist. Indem es Mausers im Amt verübte Straftaten klar benennt und den Opfern Respekt zollt. Freundschaft ist etwas anderes als Nibelungentreue. Und das Recht steht höher. Hoffentlich machen möglichst viele derjenigen, die Beiträge zu der Festschrift angekündigt haben, das endlich deutlich. Alles andere wäre ein stures Festhalten an alten Seilschaften. Eigentlich sind das alles Selbstverständlichkeiten. Dass man so oft das Gefühl hat, selbstverständliche Dinge betonen zu müssen, wenn es um die #MeToo-Debatte geht, wirft allerdings ein trauriges Licht auf die Klassikszene.

Sendung: "Leporello" am 16. Oktober 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Donnerstag, 17.Oktober, 08:17 Uhr

Susanne Thiemann

Wie reagiert die Bayerische Akademie der Schönen K

Hat Herr Enzensberger sich schon entschuldigt????? Das Strafmaß hätte noch viel höher ausfallen können...die Richterin hatte sich zu der Vergewaltigung dahin gehend geäußert und sie als glaubhaft dargestellt. Aus Mangel an Beweisen nicht verurteilen können. Herr Mauser hat insgesamt Glück gehabt....die Staatsanwaltschaft wollte ihn aus dem Gerichtssaal abführen. Das wurde ihm erspart. Bei der zweiten Klägerin im ersten Prozess hat man auch aus Mangel an Beweisen nicht verurteilt. In einer zweiten Verhandlung wurde das Strafmaß sogar noch einmal reduziert.... Die Festschrift zum 65. Geburtstag????? Zu diesem Zeitpunkt????? Es gibt möglicher Weise noch mehr Opfer. Herr Mauser sollte Charakter zeigen, auf die Festschrift zu seinem 65. Geburtstag verzichten, ein neues Leben beginnen und im Gefängnis mit der Musik etwas Gutes für andere Gefangene tun. Es gibt auch Chancen, nachdem man etwas verbrochen hat. Ich wünsche ihm eine Kehrtwende, um zugeben zu können, dass er missbraucht hat.

Donnerstag, 17.Oktober, 01:00 Uhr

Name-Pflichteingabe kein Weg zur Offenheit

empört

BR4 Klassik macht Vorgaben, was Bekannte des Angeklagten öffentlich meinen dürfen und was nicht, und in welcher Prioritäten-Reihenfolgen. An dieser Stelle ist passt ein Haar zwischen dem öffentlichen Rundfunk und der Inquisition vor Jahrhunderten. Die Erde dreht sich aber immer noch. Richtersprüche in nicht mit physikalischen Beweisen zu hinterlegenden, wenn auch glaubwürdigen Anschuldigungen doch "menschlich" und oft auch "unter Frauen" vorbelastet. Es ist nicht vom Verlust von Leben oder persönlicher Würde vor der Öffentlichkeit zu lesen. Es stellt sich also die Frage, warum der öffentliche Rundfunk und die klassische Musik mit historisch immer bestätigten Schwächen von Mittelalter und Mitteleuropa in Verbindung gebracht werden. Hier Umwandlungen bekannter Sprüche, an die erinnert werden darf:
Persönliches dem Persönlichen, öffentliche Leistung der Öffentlichkeit
Schreiben ist Silber, unemotional zu denken ist Gold
Zum Schuß: die Parallen zum intensiv im BR4 verfolgten Fall Domingo?

Mittwoch, 16.Oktober, 22:54 Uhr

Huflaikhan

"Dabei geht es überhaupt nicht darum, den Verurteilten noch weiter herabzustoßen." Das ist niemandes Absicht. Denn, wenn sich jemand hier herabstößt, dann ist es Mauser selbst.

Die Sache ist: SM sollte nie wieder in einer Position tätig sein, bei der ihm irgendwelche Macht über andere auszuüben möglich ist. Alle, die ihn schützen zu glauben, sind es leider, die ihm da nix Gutes tun. Vor allem aber den Opfern etwas Schlechtes.

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