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60 Jahre Gstaad Menuhin Festival Vom Konzertzelt zur Kristallgrotte

Als Yehudi Menuhin vor 60 Jahren Benjamin Britten und Peter Pears zu einem Konzert nach Gstaad einlud, ahnte niemand, dass sich daraus einmal eines der traditionsreichsten europäischen Festivals entwickeln sollte. Und für die kommenden Jahre hat man große Pläne für den mondänen Ort im Berner Oberland.

Eigentlich kam Yehudi Menuhin Anfang der 1950er-Jahre in das Schweizer Bergdorf Gstaad, weil er einen idealen Ort suchte, um seinen Kindern eine europäische Ausbildung an einer internationalen Schule zu ermöglichen. Seine Liebe zu der Region kombinierte er mit seiner Liebe zur Musik, und so feiert das Gstaader Menuhin-Festival heuer seine 60. Auflage und gleichzeitig den 100. Geburtstag des großen Geigers.

Es ist etwas, was das Gemüt erweckt, erhöht und erwärmt.
Yehudi Menuhin

So wie einst Yehudi Menuhin schätzt auch der Geiger Daniel Hope die besondere Atmosphäre von Gstaad. Seit seiner Kindheit war Hope dem legendären Musiker eng verbunden. Die meisten Erinnerungen, die er an Menuhin habe, seien aus Gstaad. Das erste Mal kam er als Dreijähriger mit seiner Familie hierher; seine Mutter hatte gerade die Stelle als Menuhins Sekretärin angenommen.

Hierher zu kommen, das bedeutet für mich auch ein Nachhausekommen auf musikalische Art und Weise.
Daniel Hope

Seinen Ursprung hat das Festival in einem Konzert, zu dem Menuhin vor 60 Jahren unter anderem Benjamin Britten und Peter Pears eingeladen hatte. Dass sich daraus einmal eines der traditionsreichsten europäischen Festivals  entwickeln sollte, war nicht absehbar. Es war vielmehr ein "Ausprobierkonzert", so Intendant Christoph Müller, um zu testen, ob sich denn die Akustik der Kirchen im Saanenland eigne und ob bei den Bewohnern und Touristen überhaupt eine Nachfrage an Konzertveranstaltungen bestehe. Daraus ist dann in den Folgejahren das Festival entstanden und gewachsen, zunächst als reines Kammermusik-Festival.

Menuhin wollte aber auch seiner Passion als Dirigent nachgehen, und so kamen schließlich zahlreiche Sinfoniekonzerte hinzu. Da es hierfür keinen geeigneten Raum gab, wurde vor 30 Jahren erstmals ein Konzertzelt aufgebaut. Als vollends zufriedenstellend hat sich dieser Konzertsaal-Ersatz jedoch nicht erwiesen, so Christoph Müller: "Das Zelt ist eine wunderbare Sache, aber doch immer eine provisorische Lösung, weil auch die Akustik ihre Tücken hat und die Infrastruktur herum nicht ideal ist."

Pläne für einen spektakulären Konzertsaal

Geht es nach den Plänen des Festivals und der Stiftung "Les Arts Gstaad", sollen die Sinfoniekonzerte schon bald in einem spektakulären neuen Saal stattfinden. In einem dafür ausgeschriebenen Wettbewerb konnte sich der französische Architekt Rudy Riciotti mit seinen Entwürfen durchsetzen.

Die Pläne sehen vor, dass nur 20 Prozent des Bauvolumens über, hingegen 80 Prozent unter der Erde liegen. Das sichtbare Gebäude bekommt wellenförmige Wände, verkleidet mit ganzen Baumstämmen. Der Konzertsaal selbst mit 1.200 Plätzen soll dann wie eine Kritstallgrotte ausgebaut werden. Die Facetten dieses Kristalls sollen so gerichtet sein, dass sie akustisch optimal auf Sinfoniekonzerte abgestimmt sind.

Bemerkenswert ist, dass auch schon Menuhin zu Lebzeiten die Vision eines Konzertsaals für Gstaad hatte - in Form einer Felsenoper im Berg. Umso mehr freute sich die Stiftung "Les Arts Gstaad", als Architekt Riciotti seine Idee eines Saals in Form einer Kristallgrotte vorlegte. "Wir waren da natürlich sehr angetan, weil somit quasi eine Seelenverwandtschaft zwischen Riciotti und Menuhin besteht", sagt Markus Kappeler, Präsident der Stiftung "Les Arts Gstaad".

Hitzige Konzertsaal-Debatte

Doch nicht jeder in der Bevölkerung ist von dem Projekt angetan. Viele befürchten, dass es finanziell aus den Fugen gerät, und der Steuerzahler dann trotz anderslautender Versprechen kräftig zur Kasse gebeten wird. Vorgesehen ist, dass in das Projekt, das direkt an den Bahngleisen liegt, unter anderem ein unterirdischer Busbahnhof integriert werden soll. Die Erschließung ginge auf alle Fälle auf Kosten der Gemeinde Saanen. Auch der Standort nahe der Bahngleise scheint für einige Gstaader nicht der ideale Platz für einen Konzertsaalneubau zu sein. Und so ist im Berner Oberland eine hitzige Konzertsaal-Debatte entbrannt. Aber ob bald schon im neuen Konzertsaal oder weiterhin erstmal im Zelt - um die Zukunft des Menuhin-Festivals macht sich Intendant Müller keine Sorgen. Für ihn sind nach wie vor die Kirchen des Saanenlandes das Herz des Festivals, sie machen das Unvergleichliche aus.

Den Geist Menuhins wachzuhalten, empfinden wir als Verpflichtung gegenüber dem Erbe Menuhins und seiner Familie.
Intendant Christoph Müller

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