Bei seiner Gründung 1948 hatte das Opern-Festivals in Aix en-Provence Mozart-Opern im Programm. Dies wurde stetig erweitert von italienischem Repertoire bis hin zu zeitgenössischen Werken. In diesem Jahr wird erstmals Wagners "Tristan und Isolde" in Aix gezeigt. Am Freitag war Premiere mit Nina Stemme als Isolde in der Regie von Simon Stone, und am Pult des London Symphony Orchestras stand Sir Simon Rattle. Es war der dritte Premierenabend in Folge vor getestetem und Maske tragendem Publikum in voller Besetzung.
1/6
Lotte de Beers Inszenierung von Mozarts "Figaro" ...
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
2/6
... unter der Leitung von Thomas Hengelbrock.
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
3/6
Verdis "Falstaff" in einer Inszenierung von Barrie Kosky ...
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
4/6
... und unter der musikalischen Leitung von Daniele Rustioni.
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
5/6
Wagners "Tristan und Isolde" inszeniert von Simon Stone ...
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
6/6
... unter der musikalischen Leitung von Simon Rattle.
Bildquelle: Jean-Louis Fernandez
Es ist ein wahres Premieren-Feuerwerk, das nach der letztjährigen Zwangspause nun in Aix en-Provence unter Pierre Audis Intendanz gezündet wird. Bei den ersten zwei Premieren im Innenhof des Erzbischöflichen Palais lang der Schwerpunkt auf dem Komödiantischen: Die niederländische Regisseurin Lotte de Beer zeigte zum Auftakt ihre überdrehte und hyperaktive Sicht auf "Le nozze di Figaro" von Wolfgang Amadeus Mozart mit einem leistungsstarken jungen Solistenensemble. Julie Fuchs und André Schuens Stimmen passen gut zu Thomas Hengelbrocks historisch informierter musikalischer Lesart: durschichtig, straff und auch mal kantig ertönt Mozart in die laue provenzalische Nacht. Das Publikum lacht und lauscht, doch die große Sensation ist diese Eröffnungspremiere noch nicht.
BR-KLASSIK sendet die Produktion von Mozarts "Le nozze di Figaro" am 5. Juli im Rahmen der Festspiezeit im Hörfunk.
Barrie Kosky steigerte am Donnerstagabend den Spaß-Faktor auf derselben Freiluftbühne zusammen mit Daniele Rustioni am Pult des Orchesters der Oper Lyon. Verdis "Falstaff" wird von Christopher Purves in einer derart vitalen, witzigen und stimmlich souveränen Weise verkörpert, dass man dem Regiemeister Kosky die klischeehaften Frauenfiguren, die schreckliche Tapete und die wenig inspirierte Feenszene verzeiht. Dass Verdi so sehr rockt, wurde selten so plastisch erlebbar. Definitiv eine Steigerung auf dem Festival-Emotionsthermometer.
"Tristan und Isolde" in der Metro – in der Inszenierung von Simon Stone | Bildquelle: Jean-Louis Fernandez Hohe Temperaturen hat Südfrankreich im Juli immer zu bieten, und so fand die dritte Festivalpremiere dann auch im klimatisierten Grand Theatre de Provence statt, denn Wagners Tristan erst nach 21:00 Uhr zu beginnen, wäre selbst für Nachtschwärmer unattraktiv. Und nun hat Aix seinen ersten große Festival-Triumph. Simon Rattle kostet mit dem London Symphony Orchestra jede Nuance dieses Mammutwerkes genüsslich aus, Nina Stemme und Stuart Skelton als legendäres Liebespaar liefern souverän zerbrechliche Piani und wuchtige Fortissimi, Franz Josef Seelig singt einen schlichtweg perfekten König Marke-Monolog, das Publikum ist nach jedem Akt voller Begeisterung. Und Simon Stones Regie? Wer von Wagnerianern ein Buhkonzert erntet, hat irgendetwas richtiggemacht, das haben wir aus Bayreuth gelernt. Stone erzählt eine kluge, hintergründige Parallelgeschichte einer reifen Frau, die ihren Mann an eine junge Geliebte verliert. Phantasievorstellungen und Realität vermischen sich, immer ist auf der Bühne viel geboten: Ein schickes Appartement, ein Großraumbüro und eine fahrende Pariser Metro mit Endstation, nein nicht Sehnsucht, sondern Chatelet. Wahnsinn mit Wagner – das Festival von Aix erreicht mit diesem "Tristan" seinen ersten Höhepunkt.
Sendung: "Allegro" am 5. Juli 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK