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Schutz vor Machtmissbrauch Musikhochschulen Zwischen #MeToo und Causa Mauser

Mit dem Aktionstag unter dem Titel "Respekt! Sich begegnen – mit Wertschätzung, Empathie und angemessener Distanz" wurde in München ein weiterer Schritt weg von der eigenen Vergangenheit um die Verfehlungen des ehemaligen Musikhochschulpräsidenten Siegfried Mauser unternommen. Jetzt soll es ums Nach-Vorne-Denken gehen. Aber wie sieht es eigentlich sonst mit der deutschen Musikhochschullandschaft aus? Was ist dort in den letzten Jahren passiert, um Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen einen Riegel vorzuschieben?

Respekt - Schrift auf Tafel | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

Kampf um bestmögliche Unterrichtssituation als Daueraufgabe

"Es geht immer darum, an Hochschulen eine bestmögliche Unterrichtssituation für die Studierenden zu haben. Ohne jeglichen Übergriff. Und das ist eine Daueraufgabe", sagt Susanne Rode-Breymann, Rektorin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover. Sie ist zugleich Leiterin der Rektorenkonferenz der deutschen Musikhochschulen, kurz RKM.

Der Schutz vor Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen als Daueraufgabe, das sendet zwar ein positives Signal in Richtung Zukunft. Der Blick auf die Vergangenheit verleiht dieser Formulierung allerdings einen traurigen Beigeschmack, der dadurch entsteht, dass diese Daueraufgabe erst seit ein paar Jahren überhaupt als Aufgabe wahrgenommen wird.

Das Medieninteresse am Fall Mauser hat gepusht

Der Fall des ehemaligen Rektors der Münchner Musikhochschule und mittlerweile verurteilten Sexualstraftäters Sigfried Mauser habe dabei eine wesentliche Rolle gespielt, gibt Rode-Breymann zu: "Ich glaube tatsächlich, dass durch so einen Fall, der dann auch in ein so helles Medienlicht tritt, das Ganze sehr vorangebracht worden ist."

Und Bernd Redmann, Mausers Nachfolger als Rektor der Münchner Musikhochschule, ergänzt, dass das Thema jetzt auch auf der europäischen Ebene angekommen sei: Beim Kongress der Assoziation der europäischen Konservatorien und Musikhochschulen gab es jüngst ein Panel zum Thema. Und das sei einfach wichtig, um für gute, motivierende, sichere und zukunftsträchtige Arbeits- und Studienbedingungen sorgen zu können. 

Jede Hochschule muss Richtlinien für den Umgang mit Übergriffen haben

Was wurde bisher getan? 2016, nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Mauser, hat die RKM eine Arbeitsgruppe "Sexuelle Diskriminierung" ins Leben gerufen. Die hat binnen eines Jahres eine Handlungsempfehlung vorgelegt, die unter anderem die Einführung von Workshops und Diskussionsveranstaltungen anmahnt und von jeder Hochschule den Erlass einer Richtlinie einfordert.

Die Richtlinien solle jeweils festschreiben, wie mit möglichen weiteren Fällen sexueller Übergriffe umzugehen ist: Darunter fallen vor allem die Einrichtung formeller Beschwerdewege und Anlaufstellen für die Studierenden. Zwei Jahre hat sich die RKM für die Umsetzung dieser Handlungsempfehlungen gegeben. Heute, knapp drei Jahre später, haben fast alle deutschen Musikhochschulen dieses Ziel erreicht.

Für meine Begriffe ist das auch der richtige Weg, dass die Hochschulkultur sich ändert.
Susanne Rode-Breymann, Rektorin an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover

Genauso oft wie im Gespräch mit Susanne Rode-Breymann oder Bernd Redmann das Wort Struktur fällt, genauso häufig ist auch von der Hochschulkultur die Rede: eine Kultur, die sich verändern müsse, weg von der Verklärung von Professoren zu sakrosankten Autoritäten. Und weg von der Kleinmachung der Studenten zu willfährigen Schülern. Die Gegenmittel dafür lauten: Selbstreflexion und Empowerment.

Hilfe für konkrete Veränderung gibt das Netzwerk Musikhochschulen

Heinz Geuen beschäftigt sich zentral mit dem Thema der "Selbstreflexion der Lehre". Er ist nicht nur Rektor der Kölner Musikhochschule, sondern im Rahmen des Netzwerks Musikhochschulen auch für Fragen der Lehr- und Personalentwicklung zuständig. Im Gegensatz zur RKM, die allgemeine Empfehlungen ausspricht,  kümmert sich das Netzwerk, dem etwa die Hälfte der deutschen Musikhochschulen angehört, vor allem um die Umsetzung dieser Empfehlungen. Etwa die Organisation von Workshops: Wie gebe ich konstruktiv Feedback? Aber auch konkret fachlich: Wie inszeniere ich eine Verführungs- oder gar Vergewaltigungsszene im Musiktheater?

Wie bezieht man eigentlich auch die Körperlichkeit der Studierenden mit ein?
Heinz Geuern, Direktor der Hochschule für Musik und Tanz Köln/ Vorstand Netzwerk Musikhochschulen

In München sind seit dem letzten Semester sogenannte Orientierungsgespräche zwischen Lehrenden und Studierenden obligatorisch. Und in diesen Gesprächen wird unter anderem genau diese Frage erörtert, wie und ob Körperkontakt im Unterricht stattfinden darf und kann.

In der Kunst geht es oft übergriffig zu

Heinz Geuern aus Köln erzählt von einem Kollegen, der im Bereich Musiktheater mit Studierenden an einer Szene aus dem Figaro gearbeitet hat, in der es um Übergriffigkeit ging. "Und das wurde dann zum Anlass genommen zu fragen: Wie bezieht man eigentlich auch die Körperlichkeit der Studierenden mit ein?" Darüber wurde in großer Runde diskutiert und versucht, eine Sensibilität herzustellen, wie mit Kommunikation und Körpersprache in einem nun mal auch körperbetonten Feld – wie es die Musikausbildung und das Musiktheater ist – umgegangen werden soll.

Es darf nicht alles komplett unfrei werden. Es darf nicht nur noch angstbesetzt sein.
Christine Schornsheim, Vizepräsidentin der Hochschule für Musik und Theater München/Initiatorin Aktionstag Respekt!

Schaut man sich Opern oder Ballette an, gibt es dort regelrecht Mienenfelder der sexuellen Übergriffigkeit. Mit dem Streben nach Political Correctness und dem schwierigen Balanceakt zwischen kritischem Blick und künstlerischer Freiheit beschäftigte sich auch der "Aktionstag Respekt!" in München. Einfache Regeln? Die könne es hier kaum geben, so Christine Schornsheim, Vizepräsidentin der Münchner Musikhochschule und Mit-Initiatorin des Aktionstags. Vielmehr gelte erneut, dass ein Nachdenken und Darübersprechen fast schon die Lösung sei. Aber auch Vorsicht sei geboten. Denn sämtliche Kunst, die einem modernen Verständnis nicht mehr entspricht, einfach zu verbannen, so Schornsheimer: "Das wäre grauenhauft."

Sendung: "Allegro" am 19. November 2019 um 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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