André Rieu gilt vielen Musikfreunden nicht als ernsthafter klassischer Musiker. Die Szene behandelt ihn eher herablassend. Wenn in seinen Konzerten selbst auf Schostakowitschs berühmtem Walzer kräftig geschunkelt wird, dann ist ihm die Häme des Feuilletons sicher. Der Geiger hat allerdings nicht die geringsten Berührungsängste und trat auch schon bei Karl Moik im Musikantenstadl auf. Ein Phänomen ist Rieu allemal. Am 1. Oktober wird er 70 Jahre alt.
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Beim Walzer-Potpourri hält es die Fans nicht mehr auf den Stühlen. Dann wird auf dem historischen Vrijthof in Maastricht getanzt, geschwoft und geschmust. Elf Mal ist André Rieu in diesem Sommer in seiner Heimatstadt aufgetreten – vor jeweils 11.000 Zuschauern. Aus der ganzen Welt sind sie angereist, sogar aus Australien, um den Niederländer und sein "Johann Strauss Orchester" live zu erleben.
Seit mehr als 30 Jahren verwöhnt André Rieu seine Anhänger mit Liebe, Kitsch und Romantik. Die Leidenschaft zur Musik stecke in seinen Genen, hat der Star-Geiger erst kürzlich in der MDR-Talkshow "Riverboat" verraten. Seine Familie sei durchweg musikalisch gewesen: "Alle machten Musik, mein Vater war Dirigent, und dann kam die Geige, und das ging eigentlich von alleine. Und so ist das weitergegangen." Mit fünf Jahren beginnt der kleine André Violine zu spielen. Mit Elf lernt er das Mädchen Marjorie kennen. Beiden hat der Musiker die Treue gehalten. Mit Marjorie ist er jetzt seit 44 Jahren verheiratet. Sie sei aber nicht nur seine große Liebe, erklärt Rieu, sondern auch seine wichtigste Beraterin: "Alle Entscheidungen, die wir treffen, alle Programme, die wir machen, alle Texte, die ich auf der Bühne sage, die schreibt sie. Ich kann das nicht ohne sie."
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André Rieu - The Second Waltz (Shostakovich)
Zwischenzeitig hätten sich die beiden durchaus vorstellen können, dass ihr beruflicher Weg in eine andere Richtung geht: "Ich hatte mein ganzes Leben Geige studiert, Majorie ihr ganzes Leben an der Universität studiert", erläutert Rieu. "Und dann haben wir gedacht, wir machen mal was Anderes. Und dann hatten wir die Idee, eine Pizzeria zu eröffnen." Schade, dass es nicht so gekommen ist, werden seine Kritiker sagen. Und davon gibt es reichlich. Die Musik sei zu seicht, sein Geigenspiel nicht virtuos genug. Und die Kombination aus Klassik, Pop und Filmmusik ist seriösen Musikkritikern viel zu kommerziell.
Die New York Times hat ihn mal zum "Maestro der Massen" gekürt, was wohl nicht als Kompliment gemeint war. Den Walzerkönig mit der zeitlos schönen Pudelfrisur muss das nicht stören. Mehr als 40 Millionen Tonträger hat er verkauft. Gerade war er auf Konzertreise in Kolumbien. Als nächstes Land steht Chile auf dem Tour-Programm. Seine Musik verbinde die Menschen. Und das, so André Rieu, funktioniere überall auf der Welt: "Das bringt ein Gefühl von Zusammenhalt und von Freundschaft, von Liebe. Und das ist, was ich über die Bühne bringen will."
Ich kann versprechen: Ich schicke die Leute mit einem Lächeln in ihrem Gesicht nach Hause.
Mit einem Lächeln im Gesicht: André Rieu | Bildquelle: picture alliance/dpa-Zentralbild Rieus Musiker sind bei ihm angestellt. 70 Köpfe zählt das feste Orchester, das mittlerweile auf 3.000 Konzerte in 45 Ländern zurückblickt. Der Mann mit der Stradivari mag es groß und opulent. Vor zehn Jahren wäre er damit beinahe Pleite gegangen. Doch das Familienunternehmen, in dem auch seine Frau und seine beiden Söhne aktiv sind, hat die Kurve gekriegt. Mit Majorie lebt André Rieu heute auf einem Schlösschen in der Nähe von Maastricht. Einen Luxus, den er sich als Pizzabäcker wohl nicht hätte leisten können. Und mit 70 denkt der "Polder-Paganini" auch noch lange nicht ans Aufhören. Anfang des kommenden Jahres tourt er durch Deutschland. Mit seinem Orchester tritt er in 16 Städten auf. Dann darf wieder getanzt, gelacht und auch geweint werden. "Die Leute wissen genau, wenn sie in meine Konzerte kommen, was sie erwartet", sagt Rieu. "Nämlich ein Abend, wo sie sie selber sein können. Und ich kann versprechen: Ich schicke die nach Hause mit einem Lächeln in ihrem Gesicht."
Sendung: "Allegro" am 01. Oktober 2019 ab 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK