Am 22. April 1916 wurde Yehudi Menuhin geboren - einer der größten Geiger des vergangenen Jahrhunderts. Daniel Hope - selbst seit Jahren gefeierter Geigenstar - hatte bei Menuhin schon als Kind Unterricht. Seine Mutter war Menuhins Sekretärin. Im Februar erscheint anlässlich Menuhins bevorstehendem einhundertsten Geburtstag eine CD, die Hope seinem Mentor gewidmet hat: "My Tribute To Yehudi Menuhin". Darauf spielt Hope Musik, die für Menuhin geschrieben wurde oder die ihm besonders am Herzen lag. Mit BR-KLASSIK hat Daniel Hope seine Erinnerungen an seinen Lehrer geteilt.
Bildquelle: Private Kollektion Daniel Hope
Daniel Hope im Interview
Über seine CD "My Tribute to Menuhin"
BR-KLASSIK: Für das Cover der neuen CD haben Sie ein Foto ausgesucht, auf dem Sie als kleiner Junge zu sehen sind: die Arme angewinkelt und mit einem sichtlich stolzen Lächeln, hinter Ihnen steht Menuhin, die Hände auf Ihren Schultern. Was hat es mit diesem Bild auf sich?
Daniel Hope: Das Bild ist in Gstaad in der Schweiz entstanden. Dort, wo Yehudi Menuhin sein Festival hatte. Er hat uns gleich dorthin mitgenommen, nachdem meine Mutter den Job als seine Sekretärin bekommen hatte. Er sagte: Kommt mit, packt alles ein - wir verbringen den gesamten Sommer in Gstaad. Das war für uns in jeder Hinsicht ein absolutes Paradies. Es ist einer der schönsten Orte der Welt überhaupt und dann noch dazu dieses Musikfestival! Wir wurden so freundlich empfangen. Und das war jeden Sommer so. Dieses Bild ist im zweiten oder dritten Sommer dort entstanden.
BR-KLASSIK: Welche Stücke auf dem Album repräsentieren diese frühe Phase Ihres gemeinsamen Lebens?
Daniel Hope und Yehudi Menuhin in Gstaad in der Schweiz, 1983 | Bildquelle: Private Kollektion Daniel Hope Daniel Hope: Für mich ganz besonders die Duos von Béla Bartók. Das waren die Stücke, die ich auch als Junge ganz oft mit Menuhin gespielt habe. Ich habe sie mit ihm studiert und dann auch aufgeführt, da war ich sieben oder acht Jahre alt. Und außerdem das Doppelkonzert von Antonio Vivaldi. Es war auch in dieser Frühphase in Gstaad, dass ich Yehudi Menuhin erstmals als Geiger erlebt habe - meist mit dem Zürcher Kammerorchester - und dort hat er unter anderem Bach und Vivaldi gespielt. Oft auch dessen Doppelkonzert in a-Moll. Das war für Menuhin ein Weg, seinen Schüler und Studenten die Möglichkeit zu geben, neben ihm aufzutreten. Und dann irgendwann kam ich auch dazu.
Menuhin so nah zu hören mit diesem wunderschönen Klang, das ist mir bis heute in den Ohren geblieben.
BR-KLASSIK: Sie stehen im Anwesen von Yehudi Menuhin, in seinem privaten Wohnzimmer und erlernen diese Stücke. Wie dürfen wir uns das vorstellen, wie ist das abgelaufen? Was hat er Ihnen erzählt? Wie war die Stimmung?
Daniel Hope: Die Stimmung war unglaublich. Er war erstens ein fantastischer Lehrer. Er war sehr gründlich, aber seine Kritik war immer sehr konstruktiv. Gerade als ich klein war, hat er nie versucht, seinen Willen durchzusetzen, sondern mir immer Möglichkeiten anzubieten. Verschiedene Optionen, die man wählen kann. Menuhin so nah zu hören mit diesem wunderschönen Klang, das ist mir bis heute in den Ohren geblieben.
BR-KLASSIK: Im Booklet zu Ihrer neuen CD finden sich viele Notizen und Postkarten, die Sie mit Yehudi Menuhin verbinden. Unter anderem auch eine ganz kleine, auf der zwei Strichzeichnungen sind und Menuhin mit seinem ganz besonderen Spitznamen unterschreibt. Können Sie uns diese Episode erzählen?
Menuhin und Hope in Gstaad, 1996 | Bildquelle: Private Kollektion Daniel Hope Daniel Hope: Als ich ganz klein war, konnte ich "Yehudi" nicht aussprechen. Ich habe es nur mit Mühe geschafft "Hudini" zu sagen. Daraus wurde sein Spitzname - sein ganzes Leben lang habe ich ihn fast immer "Hudini" genannt. Und das fand er so köstlich, dass er mehrere Briefe mit "Hudini" unterschrieben hat. Ab und zu hat er beispielsweise auch als "der alte Fiedler" unterzeichnet, er hat sich auch oft als "mein musikalischer Großvater" bezeichnet. Das sind natürlich sehr schöne und inspirierende Erinnerungen.
BR-KLASSIK: Wenn Sie sich auf nur eine Sache reduzieren müssten: Was wäre das größte Erbe dieses ganz speziellen Zauberers?
Daniel Hope: Die Originalität. Es gab und gibt bis heute niemanden, der nur vergleichsweise so original ist wie Yehudi Menuhin. Und das in jeder Hinsicht: wie er gespielt hat, wie er gesprochen hat, was er überhaupt bewegen konnte und wie er die Welt und die Musik gesehen hat auf seine Art und Weise. Egal ob es darum ging, ein Stück zu analysieren oder ob es eine politische Situation war: Er hat das mit Frische, mit Humor und trotzdem mit Gewicht getan - und das mit einer Bescheidenheit, die sagenhaft war.
BR-KLASSIK: "Unfinished Journey" heißt die Biographie von Yehudi Menuhin und auch ein Stück des libanesischen Komponisten Bechara El Khoury, das entstanden ist anlässlich des 10. Todestags von Menuhin, und das auch drauf ist auf Ihrer neuen CD. Wo geht denn Ihre Reise noch hin?
Daniel Hope: Meine Reise ist sehr vielfältig und hat jetzt seit zwei Jahren neue Prioritäten: meinen Sohn und meine Familie. Seit ich Vater geworden bin, ist die Reise auch etwas anders als zuvor, aber die Liebe und die Besessenheit für Musik bleibt - und das ist eine wunderschöne Reise! Ich bin im Moment sehr sehr glücklich mit den Projekten, die ich machen darf und den Menschen, mit denen ich spielen kann. Ich muss meist gar nicht nach Projekten suchen, sondern sie finden mich irgendwie. Und diese Projekte entscheiden dann, wo der nächste Halt sein wird.
Das Interview führte für BR-KLASSIK Johann Jahn.
Die neue CD von Daniel Hope ist ab dem 5. Februar im Handel erhältlich.