Am 26. Mai war Anne-Sophie Mutter in "Meine Musik" zu Gast, am 6. Juni gibt sie ein Kammermusik-Recital in München - mit zwei Werken Krzysztof Pendereckis im Programm. Im Interview verrät sie, warum sie dessen Musik so liebt - und dass sie ihr Interesse an Kammermusik demnächst in Gefilde führen wird, die bislang noch neu für sie sind.
Bildquelle: © Monika Höfler
BR-KLASSIK: Anne-Sophie Mutter, das Jahr 2018 steht für sie sehr intensiv unter dem Namen eines Komponisten, der im November 85 Jahre alt wird: Krzystof Penderecki. Sie spielen am 6. Juni ein Recital in der Philharmonie in München mit gleich zwei Werken von ihm. Sein Violinkonzert Nr. 2 "Metamorphosen" ist Ihnen gewidmet. Was fasziniert Sie an der Musik von Penderecki so sehr, dass sie ihn nach diesem Konzert noch dreimal gebeten haben, für Sie zu komponieren?
Anne-Sophie Mutter: Es ist die Form, die mich bei Penderecki immer wieder überzeugt, weil diese Musik nicht einfach eine Aneinanderreihung von mehr oder weniger attraktiven Klängen ist, sondern einem klassischen Aufbau folgt. Es ist jedenfalls immer ein roter Faden erkennbar, wie beispielsweise in seinem wunderbaren Zweiten Konzert oder auch in seiner Zweiten Sonate. Am Ende schließt sich der Kreis - entweder der Kreis zum dritten Satz oder im Falle des Konzertes zum ersten. Da ist ein großer intellektueller Spannungsbogen zu spüren, der konsequent mit Leben erfüllt ist. Es ist nicht etwa Musik, die versucht, hyperintellektuell daherzukommen, sondern im Gegenteil hyperintellektuelle Musik, die im Verborgenen ihr raffiniertes Spiel mit unseren Ohren treibt.
Pendereckis Musik kommt wirklich aus dem Herzen. Das ist Musik, die in den Bann zieht - zwar weiß Gott nicht gefällig, aber eben kein Exerzitium, das per se den Zuhörer verschreckt, abstößt und mit Unverständnis hinterlässt. Auch wenn sie zunächst vielleicht fremd wirkt und sehr hohe Ansprüche an den Zuhörer an dessen Konzentrationsfähigkeit stellt, so ist aber doch im Innersten zu spüren, dass sich da eine Seele niedergeschrieben hat.
BR-KLASSIK: Was speziell interessiert Sie an der Arbeit mit zeitgenössischen, also mit lebenden Komponisten?
Anne-Sophie Mutter: Zuerst natürlich die Möglichkeit, nachzufragen. Und ja, diese erste Begegnung mit einem Werk, das nicht irgendwo unterbewusst doch abgespeichert wurde in einer bestimmten Aufführungstradition, die erste ganz frische Begegnung mit dem gedruckten Papier und all diesen Möglichkeiten, die nicht durch eine vorgefasste Spieltraditionen oder eine Erwartungshaltung - mag sie auch noch so unterbewusst sein - beeinflusst sind. Das finde ich unglaublich befreiend. Es ist natürlich auch beängstigend, weil man sich in seiner Lese-Art völlig exponiert und bloßstellt, denn man hat ja keine Referenzpunkte. Vor allen Dingen, wenn es das erste Werk von Komponisten X ist, das man spielt. Aber dieses Verlorensein ist auch ein sich selbst finden, und ich finde, es tut schon sehr gut, sich in Selbstzweifel zu ergehen und mal wirklich von vorne anfangen zu müssen. Denn nichts ist schlimmer, als wenn man meint, man könne und wisse schon alles.
Die mittleren und späten Quartette von Beethoven lächeln mir verlockend zu.
BR-KLASSIK: Sie machen viel Kammermusik; stimmt es, dass Sie sich demnächst erstmals auch der Formation des Streichquartetts widmen werden?
Anne-Sophie Mutter: Ja, unter anderem auch mit einer Uraufführung von Jörg Widmann. Das Stück wird entweder ein Quartettsatz oder ein komplettes Quartett - das wissen wir beide noch nicht so genau. Aber jedenfalls wird es in einer Quartettformation sein. Auch die mittleren und späten Quartette von Beethoven lächeln mir verlockend zu (lacht)...
BR-KLASSIK: Sie sind schon in die Richtung einer etwas größeren Kammerbesetzung gegangen mit Ihrer Einspielung des Schubert'schen Forellenquintetts im vergangenen Jahr…
Anne-Sophie Mutter und Mitmusiker der Einspielung des Forellenquintetts | Bildquelle: Harald Hoffmann / DG Anne-Sophie Mutter: Genau. Das hat unglaubliche Freude gemacht, denn ich bin ein riesiger Fan des Pianisten Daniil Trifonov. Die Aufnahme des Forellenquintetts hat nach zwei Konzerten quasi hopplahopp stattgefunden. So soll es, finde ich, auch sein mit einer Einspielung. Das ist eine Momentaufnahme, und entweder man spielt ein Konzert, als ob man eine CD aufnehmen würde oder man ist für den Beruf sehr wahrscheinlich ungeeignet. Und die Lebensfreude, die diese Forelle ausstrahlt und die sich ja auch im Text wiederfindet, die hat Daniil mit einer Leichtigkeit und einer Spielfreude hingeknallt - das war wirklich für alle einfach nur eine riesige Inspiration. Wir hatten unter den Streichern die besten entweder aktuellen oder vergangenen Stipendiaten meiner Akademie - den wunderbaren Cellisten Maximilian Hornung, die großartige koreanische Bratschistin Hwayoon Lee und natürlich den legendären Roman Patkoló am Bass, mit dem ich ja dann auch in München das süffige, kurze "Duo concertante" von Penderecki spielen werde.
Das komplette Interview können Sie auf BR-KLASSIK in der Sendung "Meine Musik" anhören, am
Samstag, 26. Mai, 11.05 Uhr.
Mittwoch, 6. Juni 2018, 20:00 Uhr
München, Philharmonie im Gasteig
Programm:
Krzysztof Penderecki:
Duo concertante per violino e contrabbasso (Roman Patkoló - Kontrabass)
André Previn:
"The Fifth Season" für Violine & Klavier
Johann Sebastian Bach:
Partita d-Moll für Violine solo BWV 1004
Krzysztof Penderecki:
Sonata per violino e pianoforte Nr. 2
Wolfgang Amadeus Mozart:
Sonate für Violine und Klavier e-Moll KV 304
Anne-Sophie Mutter (Violine)
Lambert Orkis (Klavier)