Schauspieler, Schriftsteller, Maler, Musiker: Armin Mueller-Stahl ist ein Multitalent. In amerikanischen Talkshows wurde er öfter aufgefordert, spontan etwas auf der Geige zu spielen. "Die Klassik ist ein Brückenschlag zu unserer heutigen Zeit", sagt Mueller-Stahl. Am 17. Dezember feierte er seinen 90. Geburtstag.
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"Die Schauspielerei dominierte mein Leben. Aber wahrhaft frei fühle ich mich in der Malerei und in der Musik." Das erzählt Armin Mueller-Stahl im Gespräch mit BR-KLASSIK. Denn als Filmschauspieler sei er immer an eine Sprache gebunden, je nachdem, ob er in Deutschland drehe, in Hollywood oder in Frankreich. "Die Musik hingegen ist grenzenlos", schwärmt der Künstler, der am 17. Dezember seinen 90. Geburtstag feiert.
Für seine Rolle als Thomas Mann im Fernseh-Dreiteiler "Die Manns - Ein Jahrhundertroman" erhielt Armin Mueller-Stahl 2001 den Grimmepreis – eine von zahlreichen Anerkennungen und Würdigungen in seinem Leben. Doch eigentlich wollte Armin Mueller-Stahl gar nicht Schauspieler werden, sondern Musiker. In seiner Kindheit wurde viel musiziert. "Mein Vater, ein Bankkaufmann, hat gut gesungen; meine Mutter, die Ärztin war, hat ihn begleitet", erinnert sich Mueller-Stahl. "Mein ganzes Leben hat sich immer um die Kunst herumgerankt."
Er selbst bekam Geigenunterricht – und spielte nach Ende des Zweiten Weltkriegs in Berlin an der städtischen Musikhochschule vor. "Ich konnte meine Geige nicht stimmen, das haben die Professoren dann getan", schmunzelt er. Die Aufnahmeprüfung bestand er zwar nicht, "aber einer der Professoren behauptete, ich hätte Talent, und nahm mich privat auf."
Ich bin mit klassischer Musik aufgewachsen. Ich liebe sie.
Armin Mueller-Stahl spielt 1993 bei einer Talkshow Geige. | Bildquelle: picture alliance / United Archives | United Archives / Frank Hempel Armin Mueller-Stahl studierte Musikwissenschaften und sog das Berliner Kulturleben in sich auf. "Oistrach, Menuhin, Celibidache und Keilberth wurden meine Helden." Nie wird er vergessen, wie Yehudi Menuhin im Titania-Palast Bach spielte. "Dann unterbrach Menuhin, holte den Brief einer Auschwitz-Überlebenden hervor, die den Deutschen zur Versöhnung die Hand reichte, und plötzlich hatte die Chaconne eine andere Bedeutung." Ein Gänsehaut-Moment. Mueller-Stahl wurde bewusst, welche Kraft in der Musik liegt und wie die Kunst imstande ist, Brücken zu bauen.
Der Schauspieler, Musiker und Maler spricht mit BR-KLASSIK-Moderator Michael Atzinger über seinen Lieblingsmusik und erzählt Anekdoten aus seinem Leben. Die Sendung können Sie noch bis zum 25. Dezember 2020 nachhören.
Auch Bruno Walter hat Armin Mueller-Stahl geprägt. Bei einem Meisterkurs durfte er dem Dirigenten den ersten Satz der César-Franck-Sonate vorspielen. "Da fragte Bruno Walter: 'Warum spielen Sie die Stelle mit dem ganzen Bogen? Wenn Sie den ganzen Bogen nehmen, nehmen Sie das Geheimnis weg.' Das war eine Lehre fürs ganze Leben, auch in der Schauspielerei. Es ist die Kunst, das Geheimnis zu bewahren."
Die Freiheit beim Musizieren stand für Armin Mueller-Stahl an vorderster Stelle. Deshalb war ihm bald klar: als Musiker in einem Orchester würde er sich nicht wohlfühlen. "Da müsste ich immer nur die Noten spielen und hätte keine Freiheiten." Er begann, neben den Pflichtetüden mit der Geige zu improvisieren. Am Ende des Musikstudiums versuchte er sich als Schauspieler. "Mein Vater wollte immer Schauspieler werden, konnte es aber nicht. Nach seinem Tod wollte ich in die Schuhe meines Vaters steigen", erklärt Mueller-Stahl seine Wahl. Der Intendant Fritz Wisten engagierte ihn an der Volksbühne. Doch Mueller-Stahl fühlte sich deplatziert. Die detailliert einstudierten Rollen lagen ihm nicht, engten ihn ein. "Ich sagte Wisten: 'Das ist nicht mein Beruf. Ich gehe zurück zur Musik.' Aber da gab der pfiffige Wisten mir Charakterrollen, und damit hatte ich Erfolg."
Armin Mueller-Stahl im Film "Avalon" (1990). | Bildquelle: picture alliance / United Archives/IFTN Die Leidenschaft für die klassische Musik blieb – auch als Mueller-Stahl in der DDR, später in der BRD und in Hollywood Karriere machte. Barry Levinson, mit dem Mueller-Stahl in seinem zweiten amerikanischen Film "Avalon" (1990) zusammenarbeitete, forderte ihn in einer Szene auf, etwas auf dem Klavier zu spielen. "Du bist doch Musiker. Du spielst die Musik, die dir einfällt", soll Levinson gesagt haben. Also setzte sich der Schauspieler ans Klavier und probierte verschiedene Harmonien aus. "Plötzlich stand der Filmkomponist Randy Newman in der Tür", erzählt Mueller-Stahl. "Er hörte zu und machte er aus meiner Improvisation ein wunderschönes Thema." Dass Armin Mueller-Stahl Musik studiert und eine Zeit lang auch als Musiklehrer gearbeitet hatte, sprach sich in den USA schnell herum. In amerikanischen Talkshowich bekam er öfter eine Geige in die Hand gedrückt und wurde aufgefordert, etwas zu spielen. Der Schauspieler lehnte dann jedes Mal ab: "Ich habe seit über fünfzig Jahren nicht richtig geübt."
Kunst hat die Kraft, Brücken zu bauen.
Seit 1985 lebt der der Künstler den Großteil des Jahres in Sierksdorf an der Lübecker Bucht. Die übrige Zeit verbringt er in Pacific Palisades bei Los Angeles oder in Berlin-Köpenick. 2009 wurde Armin Mueller-Stahl Mitglied im Hochschulrat der Hochschule für Musik und Theater Rostock. "Als Schauspieler, Musiker, Maler und Schriftsteller wird er ein hervorragender Berater unserer Hochschule sein", begründete der damalige Rektor Prof. Göckeritz seinen Vorschlag. Mueller-Stahl hat Gedichte und mehrere Bücher geschrieben. Er veröffentlichte 2010 seine erste CD mit eigenen Liedern, er malt und zeichnet.
Ob sich das künstlerische Multitalent denn vorstellen könne, es auch einmal als Dirigent zu versuchen? Diese Frage stellte ihm einmal Kristjan Järvi, damals Chefdirigent des MDR Sinfonierorchesters. Mueller-Stahls Antwort: "Das hebe ich mir fürs nächste Leben auf."
Sendung: "Meine Musik" am 12. Dezember 2020 ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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