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Die Violine im Check Sieben Irrtümer über die Geige

Alte Geigen klingen besser als neue. Die zweite Geigenstimme ist leichter als die erste. Und Stradivaris Geheimnis ist der Lack. Oder doch nicht? Wir decken Mythen, Halb- und Unwahrheiten über die Geige auf.

Ansicht mehrer hintereinander hängender Violinen | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Mythos 1: Alte Geigen klingen besser als neue

... und Violinen von Antonio Stradivari sind automatisch die besten Instrumente? "Das ist eine Verallgemeinerung, die so nicht stimmt", erklärt die Münchner Geigenbauerin und Restauratorin Eva Lämmle. "Es gibt alte Geigen, die gut klingen, und weniger gute alte Geigen. Wenn man einen schlechten Wein hat, wird der ja auch nicht besser, nur weil er lange liegt." Das scheinen auch zahlreiche Blindtests zu bestätigen, bei denen alte und neue Geigen beispielsweise hinter einem Vorhang angespielt werden. Oft wird der Klang neuer Geigen besser bewertet als der einer alten italienischen Violine.

Stradivari Geige | Bildquelle: picture-alliance / maxppp Instrumente des Cremoneser Geigenbauers Antonio Stradivari werden teuer gehandelt. | Bildquelle: picture-alliance / maxppp Aber warum bevorzugen die meisten Berufsgeiger trotz dieser Testergebnisse nach wie vor alte Instrumente? Für Eva Lämmle spielen da viele Faktoren mit hinein: "Alte Instrumente werden ja nicht nur aufgrund ihres Klangs gekauft, sondern sie sind gleichzeitig eine Wertanlage." Abgesehen davon spiele auch Prestige eine große Rolle: "Eine Stradivari wurde ja schon von anderen tollen Geigern gespielt, und zu dieser prominente Reihe möchte man als Musiker gern dazugehören." Prominente Gegenbeispiele gibt es aber auch: Der Geiger Christian Tetzlaff spielt auf einem neugebauten Instrument von Stefan-Peter Greiner.

Mythos 2: Die zweite Geigenstimme ist leichter als die erste

"Das kommt aufs Repertoire an", meint Thomas Reif, Erster Violinist im Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. "In der Musik der Klassik hat die zweite Geigenstimme oft eine begleitende Funktion. Im technischen Sinne ist das zwar leichter, bringt aber musikalisch andere Anforderungen mit sich." Denn während die Spieler der ersten Geigen in Kantilenen schwelgen, haben die zweiten Geiger rhythmisch komplexe und wenig eingängige Begleitfiguren zu spielen. Das ändert sich dann aber in der Spätromantik, so Thomas Reif. "Gerade bei Werken von Richard Strauss oder Gustav Mahler sind beide Stimmen ziemlich gleichberechtigt."

Die zweite Geigenstimme bringt musikalisch andere Anforderungen mit sich.
Thomas Reif, Geiger im BRSO

Mythos 3: Stradivaris Geheimnis ist der Lack

Wissenschaftler und Geigenbauer waren jahrhundertelang der großen Frage auf der Spur: Mit welchen geheimen Zutaten lackierte Antonio Stradivari seine Geigen? In einem Pariser Labor kamen deutsche und französische Wissenschaftler der Lösung im Jahr 2009 auf die Spur, indem sie fünf Geigen aus verschiedenen Schaffensperioden Stradivaris untersuchten. Das ernüchternde Ergebnis: Stradivari trug in zwei Schichten einfache Öle und Harze auf, die auch Maler dieser Epoche benutzten. Das rötliche Schimmern seiner Geigen stammt von Pigmenten wie etwa Eisenoxiden und einem Anthrachinonfarbstoff. Grund für den Klang ist dieser Lack aber nicht, erklärt der Münchner Geigenbauer Michael Jaumann: "Denn man weiß, dass die originalen Stradivaris heute nur noch etwa zehn Prozent vom Originallack auf der Geige haben. Dann kann es nicht am Lack liegen, sonst würde die Geige ja nicht mehr so gut klingen." Hört sich plausibel an, oder?

Mythos 4: Geiger mit dicken Fingern haben den schönsten Ton

Der Geiger Jascha Heifetz | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection Spielt mit einem warmen, singenden Geigenton, trotz schlanker Finger: Jascha Heifetz | Bildquelle: picture alliance/Everett Collection "Mir fällt da sofort der unglaublich warme Ton von Itzhak Perlman ein", sagt Michael Arlt, Stimmführer der Zweiten Violinen im Bayerischen Staatsorchester. "Perlman hat kräftige Hände mit breiten, weichen Fingerkuppen. Wenn er die auf der Saite bewegt, entsteht ein gleichmäßiges, großes Vibrato." Dicke Finger können also durchaus ein Pluspunkt sein. Allerdings gibt es genauso viele Geiger mit schlanken Fingern, die ihrer Geige einen schönen Klang entlocken, so Michael Arlt. "Wenn ich an Jascha Heifetz denke: Er hatte auch einen sehr schönen Ton. Aber ein etwas schnelleres, schlankeres Vibrato." Seine schlanken Finger waren ihm sicher auch bei virtuosen Passagen in den hohen Lagen nützlich, denn dort liegen die Töne sehr dicht beieinander.

Mythos 5: Eine neue Geige klingt erst nach einer Weile gut

"Ich sage immer: Eine Geige muss von Anfang an gut klingen. Ansonsten hat man etwas falsch gemacht", sagt Geigenbauer Michael Jaumann. Was seiner Ansicht nach aber stimme: Das Holz macht einen Alterungsprozess durch und wird mit den Jahren immer weicher und schwingt sich ein. Doch noch ein anderer Aspekt sei entscheidend: "Der Musiker meint, das Instrument einzuspielen, aber eigentlich lernt er nur besser damit umzugehen. Wie er es anpacken muss, damit es optimal schwingt." Nicht die Geige wird also besser, sondern der Geiger ...

Eine Geige muss von Anfang an gut klingen. Ansonsten hat man etwas falsch gemacht.
Geigenbauer Michael Jaumann

Mythos 6: Linkshänder können nicht Geige spielen

Der Geiger Thomas Reif ist das beste Beispiel dafür, dass diese Behauptung ganz und gar nicht zutrifft. Denn er ist selbst Linkshänder. Und besondere Schwierigkeiten, sein Instrument zu lernen, hatte er nie. Für schnelle Läufe, Triller und die Intonation kann es sogar von Vorteil sein, eine starke linke Hand zu haben. Für Reif stand es auch nie zur Debatte, die Geige auf der rechten Seite zu spielen: "Darüber macht man sich als Kind keine Gedanken. Das liegt auch einfach daran, dass die Instrumente so konzipiert sind." Er weiß aber von Geigern, die aufgrund eines Unfalls später umlernen mussten. Dazu wird das Instrument angepasst: Unter anderem wird der Stimmstock im Inneren der Geige verschoben, Saiten, Wirbel und Kinnhalter werden andersherum angebracht.

Mythos 7: Erste Geiger verdienen mehr als zweite Geiger

Impressionen "Klassik am Odeonsplatz" 2019 mit dem BRSO unter Alan Gilbert | Bildquelle: Marcus Schlaf Ob erste oder zweite Tuttigeige im BRSO: Auf dem Gehaltszettel macht es keinen Unterschied. | Bildquelle: Marcus Schlaf Das sei natürlich Quatsch, sagt Michael Arlt. Spieler der Ersten und Zweiten Geige verdienen im Orchester genau gleichviel. "Und wenn es bei der Bezahlung danach ginge, wer die meisten Töne spielt, müssten wir Zweiten Geiger bei Mozarts 'Die Hochzeit des Figaro' sogar mehr Geld bekommen als die Ersten". Höhere Gehälter bekommen nur die Konzertmeister beziehungsweise Stimmführer. Denn sie leiten ihre Gruppe an und übernehmen auch Solostellen. "Dass der Konzertmeister von allen Orchestermusikern am meisten verdient, ist natürlich gerechtfertigt, weil er den wichtigsten Posten innehat."

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