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Berliner Staatsoper Schwacher Abend zur Eröffnung

Nach sieben Jahren und vielen Bauskandalen wurde am Dienstagabend in Berlin die neu renovierte Staatsoper Unter den Linden wiedereröffnet. Aus technischen Gründen kann momentan noch keine Oper aufgeführt werden. Stattdessen standen Schumanns "Szenen aus Goethes Faust" auf dem Programm. Daniel Barenboim dirigierte die Staatskapelle Dresden, Regie führte Jürgen Flimm. Kritikerin Maria Ossowski erlebte einen Abend mit Zumutungen.

Es war ein gesellschaftliches Ereignis, ein musikalisches, auch ein bühnenbildnerisches - ein bedeutender, berührender Abend aber war es nicht. Und keine Oper. Im ersten Rang des prächtig restaurierten güldenrotbeigen Saales hatte die Kanzlerin neben dem Bundestagspräsidenten Platz genommen, auch Altkanzler Gerhard Schröder scherzte hie und da in die dichte Runde der Prominenz. Der Bundespräsident eröffnete den Redereigen und zitierte darin die Berliner Schnauze mit dem Spruch: "Quatsch hier keene Opern“. Eine Warnung, die passte.

Keine Oper, kein Oratorium

Berliner Staatsoper - Wiedereröffnung mit Schumanns "Faust-Szenen" | Bildquelle: Hermann und Clärchen Baus André Jung (Faust), Elsa Dreisig (Una Poenitentium), Roman Trekel (Faust/Doctor Marianus), Sven-Eric Bechtolf (Mephistopheles) und Chor | Bildquelle: Hermann und Clärchen Baus Schumanns Faustszenen, 1862 in Köln uraufgeführt, sind weder eine Oper noch ein Oratorium, sie vertonen eben Szenen aus Goethes Jahrhundertwerk und skizzieren die sprachliche Tiefe in allen Klangfarben und Stimmkombinationen aus Solisten, Chor und sehr ausdifferenzierten Orchesterpassagen. Das Werk dauert normalerweise zwei Stunden, in dieser Berliner Fassung aber über drei. Da eine große Oper im neuen Haus technisch nicht hätte eingerichtet werden können - bis vorgestern glichen Teile der Staatsoper noch einer Baustelle - wählten Daniel Barenboim und Regisseur und Intendant Flimm eben das sehr deutsche Thema Faust. Eigentlich passend, wenn es bei den musikalischen Szenen geblieben wäre. Der Regisseur jedoch hat um einer dramatischen Transparenz willen die musikalischen Szenen mit schauspielerisch gesprochenen zusätzlichen Teilen des "Faust" ergänzt und Schumanns Werk so verlängert und ständig unterbrochen. 

Ringelpiez zum Anfassen

Es begann mit der Zueignung, gesprochen von der bulgarischen Sopranistin Anna Tomowa-Sintow, Kammersängerin an der Staatsoper und mit 76 Jahren kein Gretchen mehr. Ihr einen derart langen und komplizierten Text zur Rezitation zu überlassen: eine Zumutung für die Künstlerin und das Publikum. Eine Zumutung war auch die Auswahl der Schauspieler. Meike Droste als Gretchen schrie die schönste Poesie deutscher Sprache mit derart banalen Ausbrüchen über die Rampe, dass es einen hin und wieder schauerte. "Mein Ruh ist hin, mein Herz ist schwer" klang selten hohler und unbedeutender als an diesem Abend, genau wie das Lied des Türmers "Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt". Dazu gab es neckische Reigen und Ringelpiez zum Anfassen, in historisierenden Kostümen oder altertümlichen Unterhosen, blonden Löckchenperücken oder asiatischen Mönchsgewändern.

Daniel Barenboim dirigiert expressiv

"Szenen aus Goethes Faust" von Robert Schumann bei der Wiedereröffnung der Berliner Staatsoper am 3. Oktober 2017 | Bildquelle:  Hermann und Clärchen Baus Sven-Eric Bechtolf (Mephistopheles) und André Jung (Faust) | Bildquelle: Hermann und Clärchen Baus Gerettet hat den Abend zu einem Teil das Bühnenbild von Markus Lüpertz mit Faunen und Torsi, antiken Riesen-Köpfen und einem sich drehenden Würfel, in dem das Geschehen sich verdichtete. Zum anderen Teil die Staatskapelle unter Daniel Barenboim, die Schumann warm, tief und expressiv präsentierte - und die Solisten. Roman Trekel als suchender, schuldbeladener Faust, Elsa Dreisig als gleichermaßen strahlendes und verzweifeltes Gretchen, René Pape als anziehend böser Mephisto oder Stephan Rügamer als Ariel. Übernahm die Musik die Bühne und das Geschehen, wollte sich ein Zauber entfalten - allein, er schaffte es nicht, weil direkt im Anschluss kalauerartiges Schauspielgewusel die Stimmung zerstörte. 

Jubel für Sänger, Buhs für Regisseur

Auf den Jubel für Sänger, Chor und Orchester folgte denn auch ein Buhkonzert für den Regisseur. Das ist traurig. Denn nicht allein Daniel Barenboim hat sich über alle Maßen eingesetzt für dieses Haus, auch Jürgen Flimms Ausdauer, seiner Hartnäckigkeit und seinem Charme ist es zu verdanken, dass die Staatsoper nach sieben Jahren endlich eröffnet hat. Sie schließt wieder. Das ist gut. Ab Dezember freuen wir uns auf Opern, vom Barock bis zu Uraufführungen. Der gestrige Abend sei mit den Schlussversen des Faust zusammengefasst: "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Das Unzulängliche, hier wird's Ereignis."

Sendung: "Allegro" am 04. Oktober 2017, 06.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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