Zwei Mal Eifersucht, drei Mal Mord: An der Staatsoper Stuttgart inszeniert Barbara Frey zwei rabenschwarze Opern, in denen es um die Unmöglichkeit der Liebe geht - weil die Gesellschaft Blut sehen will. Eine düstere wie aufreibende Erfahrung.
Bildquelle: Matthias Baus
Der Mann in der Krise? Von wegen, es ist alles noch viel schlimmer: Auch die Frauen wissen keinen Ausweg, und die Liebe endet ständig in Gewalt. Eine ziemlich beklemmende Botschaft, die Regisseurin Barbara Frey diesmal parat hatte. Zwei Mal Eifersucht, drei Mal Mord, da kam einiges zusammen bei diesem gut dreistündigen Abend über den Geschlechter-Krieg, an dem eigentlich weder die Männer, noch die Frauen schuld sind. Aber wer dann?
Bildquelle: Matthias Baus Die Gesellschaft, heißt es im Programmheft der Stuttgarter Staatsoper wenig überraschend. Und zwar deshalb, weil diese Gesellschaft früher mal alle ihre Konflikte dem lieben Gott vorgelegt habe. Aber seit diese höchste Instanz anderweitig beschäftigt sei, müssten die Menschen eben notgedrungen alles selbst erledigen – offensichtlich gern auch mit dem Messer.
In beiden jeweils gut einstündigen Opern, die zu sehen waren, geht es um Eifersucht: In Pietro Mascagnis "Cavalleria Rusticana" von 1890, übersetzt etwa "Ländliche Ehrensache", wird der fesche Bauernsohn Turiddu vom Ehemann seiner Geliebten hingemeuchelt, in den "Luci mie traditrici", den "Betrügerischen Augen" von 1998, beseitigt ein Graf erst seinen Nebenbuhler und dann seine untreue Gattin – obwohl er eigentlich kein Blut sehen kann.
Und weil derzeit fast alle Opern Uraufführungen sind, also wegen Corona-Bedingungen anders aufgeführt werden als gewohnt, war der Abend in jeder Hinsicht überraschend – leider nicht durchweg im positiven Sinne. Die "Cavalleria Rusticana" ist normalerweise ein wuchtiger Reißer: Laut, schmalzig, überwältigend, so, wie der Verismus um 1900 eben war. Da wurde kein donnernder Effekt ausgelassen, da war keine Farbe zu grell. In Stuttgart hatte Sebastian Schwab aus dem dicken Brummer jedoch ein sehr graziles Teilchen gemacht. Wegen der Pandemie saß nur ein Streichquintett im Graben, der Chor hatte sich oben im Rang aufgebaut, eine Bläsergruppe spielte verborgen im Hintergrund, Dirigent Cornelius Meister setzte sich ab und zu ans Klavier. Das klang eher nach Kaffeehaus als nach Verismus und passte sogar nicht zur drallen Geschichte.
Besser funktionierte das bei den "Betrügerischen Augen", weil Komponist Salvatore Sciarrino ohnehin ein Mann der leisen und ganz leisen Töne ist. Da hat die Staatsoper Stuttgart also zwei Werke passend gemacht, die musikalisch eher nicht kompatibel sind, auch, wenn sie beide dasselbe Thema haben. Ausstatter Martin Zehetgruber hatte eine Riesentreppe entworfen, die im offensichtlich feuchten Untergrund abgesackt ist, denn erstens steht sie schief und zweitens wuchert überall verwelkter Farn.
Bildquelle: Matthias Baus Eine halbe Drehung machte aus dieser monumentalen, aber wenig vertrauenswürdigen Aufstiegshilfe, die ins Nichts führt, ein ebenfalls weggerutschtes neoklassizistisches Portal. Könnte auch ein faschistischer Großbau sein, der einstmals auf wackligen Fundamenten errichtet wurde und deshalb das Gleichgewicht verloren hat. Sieht alles martialisch aus, nach Beton, Brutalismus, Kälte – aber eben mit Rissen und voller Graffiti. Der Prunk einer untergegangenen Welt, womöglich der Tempel des untergegangenen Mannes. In dieser Kulisse, die von besseren Tagen kündet, tummeln sich Männer-Paare, die sich küssen und schlagen, Frauen, die auf der Flucht sind vor ihrer Einsamkeit, Kerle, die versuchen, ihre Ehre zu retten. So richtig in Fahrt kommt der Abend jedoch nicht, dazu ist er viel zu kühl inszeniert, hat in jeder Hinsicht zuviel Abstand – nicht nur zwischen den Personen, sondern auch zur Eifersucht. Und Sciarrinos "Betrügerische Augen" sind sowieso ganz schwere Kost, weshalb denn auch einige Zuschauer vorzeitig aufgaben.
An Dirigent Cornelius Meister lag das gewiss nicht. Er schlug sich tapfer, auch mit den so sehr begrenzten Mitteln, und hatte wirklich eine fast schon elektrisierende Konzentration. Und auch die Solisten zeigten sich von stimmlicher wie schauspielerischen Intensität, wenngleich Eva-Maria Westbroek als eifersüchtige Santuzza durchaus noch etwas emotionaler hätte sein können. Doch Christian Miedl, Rachael Wilson, Ida Ränzlöv und Elmar Gilbertsson, die vier, die Sciarrinos vergleichsweise viel gespieltes, aber eben auch anstregendes Meisterwerk sangen, ließen keine Wünsche offen. Insgesamt ein höflich beklatschter Abend ohne Jubelstürme. Und der Chor? Der geht heute tatsächlich wieder bis zum nächsten Wochenende in Kurzarbeit. Kein Wunder, dass Intendant Viktor Schoner dazu eingangs bemerkte, es gebe dazu mit der Politik noch Gesprächsbedarf.
Sendung: "Allegro" am 12. Oktober 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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