Exakt am Tag der Eröffnung des Münchner Gärtnerplatztheaters vor 150 Jahren wartete gestern Abend das derzeit in der Diaspora lebende Ensemble des Hauses mit einer Neuinszenierung auf. Rossinis La Cenerentola nach dem Märchen Aschenputtel, das bei Rossini gleichwohl realistischer ausfällt als in der Vorlage. Und zum Jubiläum hat man sich eine große Dame der Oper ans Regiepult geholt: Brigitte Fassbaender.
Bildquelle: Christian POGO Zach
Premiere am Gärtnerplatztheater
La Cenerentola als optisches Knallbonbon
Radio/BR-Klassik/news-kritikAschenputtel haust in einem Wohnzimmerschrank und liest Gala, wenn es nicht gerade niedere Dienste für seine beiden Schwestern und den tyrannischen Stiefvater verrichten muss, wie zum Beispiel Frühstück machen. All das sieht man in der Neuinszenierung von Rossinis Cenerentola des Münchner Gärtnerplatztheaters in den ersten Minuten, also zur Ouvertüre, deren Komik dadurch in den Hintergrund gerät. Und das obwohl die Regie von einer Frau stammt, die wie kaum eine andere Regisseurin so von der Musik her kommt, wie Brigitte Fassbaender. Dass selbst sie meint, Rossinis genialer Ouvertüre durch hektischen Aktionismus auf die Sprünge helfen zu müssen, erstaunt dann doch. Ansonsten erstaunt die Inszenierung der großen ehemaligen Sängerin und langjährigen erfolgreichen Intendantin kaum. Man sieht in der Hauptsache Erwartbares, ja leider auch reichlich Zopfiges.
Aschenputtels Schwestern sind optische Knallbonbons in derart geschmacklos schrillen Kostümen, dass es schon in den Augen wehtut. Gelangweilt verzogene Zicken, die in ihrer Unausstehlichkeit nur noch von ihrem Vater übertroffen werden, dessen Liederlichkeit auf dem Weg des sozialen Aufstiegs keine Grenzen zu kennen scheint. Die Auftritte dieses Trios infernale geraten leider zu oft wie Witze mit Ansage – also nur bedingt komisch. Auch hier fällt auf, wie wenig Fassbaender eigentlich mit der Musik arbeitet, sondern mehr auf aufgeklebte Gags setzt. Und das obwohl am Pult mit Michael Brandstätter ein überaus engagierter, ja geradezu funkensprühender Dirigent am Werk ist, der das Orchester ganz wunderbar zu Esprit und Spielfreude motiviert.
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Zu viel wird in dieser Produktion auf Äußerlichkeiten, auf die Ausstattung und die Kostüme von Dietrich von Grebmer Wert gelegt. Der Auftritt des als Prinz verkleideteten Dieners in Ludwig II-Aufmachung inclusive Neuschwanstein-Kulisse und Linderhofgrotte wird so zur Hauptsache. Erst gegen Schluss gelangt die Inszenierung über Klischees und Erwartbares hinaus, wenn der Stiefvater vom Kriecher zum Gewaltmenschen mutiert – fast schon beängstigend gespielt und gesungen von Marco Filippo Romano. Die beiden Schwestern chargieren da zwar noch immer auf Teufel komm raus, aber wenigstens bei Mercedes Arcuri wird daraus noch ein groteskes Feuerwerk in ihrer Verzweiflungsarie. Gesanglich überragend Diana Haller in der Titelrolle, die über eine zur Rolle passenden geerdeten Stimme mit großer Strahlkraft verfügt. Arthur Espiritu als Prinz muss sich da schon gehörig anstrengen, um mithalten zu können, was man auch deutlich hört. La Cenerentola als optisches Knallbonbon – man hätte sich ein wenig mehr erwartet von Brigitte Fassbaender.