Am Sonntag nehmen Verdis "Die Räuber" das Münchner Nationaltheater ein. In der Oper gibt es nur Halunken – und eine einzige Frau: Amalia, gesungen von Diana Damrau. Im BR-KLASSIK-Interview verrät die Sopranistin, wie es für sie ist, ganz ohne Nebenbuhlerin auf der Bühne zu stehen, was sie von der drohenden Corona-Epidemie hält und was Singen mit Ferrarifahren zu tun hat.
BR-KLASSIK: Als Amalia in Verdis "Die Räuber" haben Sie weder eine Nebenbuhlerin, noch eine andere weibliche Person, die Ihnen in die Quere kommt. Sie sind sozusagen die Henne im Korb. Eine Situation, die sonst recht selten in der Oper vorkommt. Wie ist das für Sie?
Diana Damrau: Eigentlich ist es ganz schön. Aber die Amalia, auch wenn keine Nebenbuhlerin da ist, wird wie bei einem Flipperautomaten zwischen den Männern hin und her geworfen. Man könnte sogar sagen: gestoßen, geschubst. Und sie versucht, jedem das zu geben, was er braucht. Sie ist Ersatzmutter, sie ist Lustobjekt, sie tröstet, sie pflegt, sie spendet Liebe. Jeder nimmt sich seinen Teil von ihr. Sie hat also ganz schön viel zu tun.
Zum Singen ist das toll, da geht richtig die Post ab – volle Pulle!
BR-KLASSIK: Hat Verdi diese vielen Aufgaben auch stimmlich berücksichtigt? Gibt es also bestimmte Herausforderungen, die genau diese unterschiedlichen Aspekte abbilden?
BR-KLASSIK: Amalia wirkt wie eine sehr moderne Frau, weil sie eben diese ganzen Bereiche abdeckt: Sie ist Mutterersatz, sie tröstet, sie ist Mätresse, sie ist Geliebte, und am Schluss würde sie wahrscheinlich sogar noch Räuberbraut werden. Also eigentlich ist sie eine Powerfrau des 21. Jahrhunderts.
Diana Damrau: Ja, unglaublich! Aber so eine Powerfrau, wie wir Frauen eigentlich alle schon sowieso sind.
Die Frauengestalten wurden in der Oper oft falsch interpretiert.
BR-KLASSIK: Diese Oper erlebt ihre Premiere kurioserweise am Weltfrauentag – und die einzige Frau, die auftritt, stirbt.
Diana Damrau: Ja, aber sie ist kein Opfer. Und das ist das Wichtige. Ich denke, oft wurden die Frauengestalten in der Oper falsch interpretiert. Wenn man die Wahnsinnsszene (aus Gaetano Donizettis "Lucia Di Lammermoor", Anm. der Red.) sieht, dann könnte man meinen: Oh die Arme, die war halt schwach. Im Gegenteil, finde ich: Das sind Frauen, die wirklich kämpfen, bis aufs Letzte, aber an der Gesellschaft zerbrechen. Oder, wie Amalia, die Liebe über alles strahlen lassen. Und am Schluss, wenn der Vorhang fällt, bleibt die Liebe. Und ich glaube, darum geht's.
BR-KLASSIK: Es werden gerade viele kulturelle Veranstaltungen wegen Corona-Virus abgesagt. Wie geht es Ihnen damit? Waschen Sie ständig Ihre Hände? Haben Sie auch schon Nudeln gebunkert?
Diana Damrau: Nein, nein, gebunkert habe ich nichts. Aber natürlich muss man aufpassen, ich wasche meine Hände zum Beispiel schon sehr oft. Und ich hoffe aber trotzdem, dass die Menschen in die Oper kommen. In unserem Beruf ist es im Moment schwierig. Die Mailänder Scala bleibt zum Beispiel bis zum 4. April geschlossen. Mein Mann (der Sänger Nicolas Testé, Anm. der Red.) verliert seine Premiere von "Pelléas et Mélisande", dabei hatte er sich wahnsinnig auf die Rolle des Arkel gefreut. Aber es ist nun mal höhere Gewalt. Und so wie in Italien die Situation gerade ist, sind diese Entscheidungen absolut verständlich. Ich kenne auch genug Kollegen, die in Quarantäne sind und ihre Vorstellungen nicht singen dürfen, obwohl sie gar nicht krank sind. Ich denke, wir sollten alle Ruhe bewahren, uns so gut wie möglich schützen, auf uns selbst und auch auf die anderen gut aufpassen.
Am Sonntag, 8. März, überträgt BR-KLASSIK ab 17:30 Uhr live die Premiere von Giuseppe Verdis Oper "I Masnadieri" aus der Bayerischen Staatsoper.