Es ist unbegreiflich. Da steht das schöne Münchner Nationaltheater sozusagen mitten in der nördlichsten Stadt Italiens – und trotzdem ist Italiens wichtigster Komponist hier immer nur mit seinen Evergreens vertreten. Hält man im Freistaat wirklich nur die Hälfte der Opern von Giuseppe Verdi für sehens- und hörenswert? Ein Plädoyer für "I Masnadieri" und mehr.
Bildquelle: Wilfried Hösl
Bei einem Genie wie Verdi ist der gesamte Schaffens- und Reifeprozess aufregend. Die 16 Opern, die Verdi vor "Rigoletto" schrieb, werden allerdings im Nationaltheater viel zu selten einer Neuproduktion für würdig befunden (außer der Dauerbrennern "Nabucco" und "Macbeth" natürlich). Zuletzt stand hier vor dreizehn Jahren "Luisa Miller" auf dem Spielplan – noch von Intendant Sir Peter Jonas initiiert. Die Münchner Erstaufführung der "Masnadieri" hat nicht die Bayerische Staatsoper, sondern das Gärtnerplatztheater 2008 auf die Beine gestellt – obwohl das Theater in erster Linie für leichteres Repertoire zuständig ist. Andere Werke wie "Ernani" oder "Attila" gab es in der Isarmetropole zuletzt nur konzertant im Prinzregententheater zu hören.
Das jeweils lückenlos komplette Opernschaffen von Richard Wagner und Richard Strauss stand schon in der Ära von Wolfgang Sawallisch auf den Spielplänen der Bayerischen Staatsoper. Gibt es bei diesen beiden Komponisten etwa weniger qualitative Unterschiede als bei Verdi? Man denke nur an "Das Liebesverbot" oder "Guntram" – alles andere als Meisterwerke. Es wird Zeit für eine Art Wiedergutmachung an Verdi. Und zum Glück sorgt dafür jetzt der noch amtierende Nikolaus Bachler: Endlich überfallen "Die Räuber" – "I Masnadieri" – das Nationaltheater!
Aus Schillers politischem Drama wird bei Verdi eine Familientragödie: Carlo Moor, der älteste Sohn des Grafen Massimiliano, hat sich nach einem Zerwürfnis mit seinem Vater einer Räuberbande angeschlossen. Seine reuevolle Rückkehr will sein eifersüchtiger jüngerer Bruder Francesco verhindern und täuscht dem Vater Carlos Tod vor. Francesco kerkert seinen Vater ein, lässt auch dessen Tod verkünden und sichert sich so die Position als Familienoberhaupt. Carlos Verlobte Amalia, die einzige Frauenrolle, widersteht Francescos gewalttätigen Nachstellungen. Als Carlo endlich seinem Vater und Amalia wiederbegegnet und in sein altes Leben zurückkehren möchte, muss er erkennen, dass er sich durch seine Zeit mit den Räubern diesen Weg unmöglich gemacht hat.
Diana Damrau in der Neuinszenierung von "I Masnadieri" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: Wilfried Hösl In der Rolle der Amalia, die Verdi für die berühmte Primadonna Jenny Lind schrieb, ist auch an der Staatsoper ein Star besetzt: Diana Damrau gibt in "I Masnadieri" ihr Rollendebüt. Auf passionierte Konzertgänger warten in den "Räubern" ebenfalls Gänsehautmomente: Wem zum Beispiel nichts über klagende Cello-Kantilenen geht, wird über Verdis Ouvertüre staunen, die den Ersten Cellisten besonders herausfordert. Auch die Chöre, mit denen Verdi sich auskannte wie kaum ein Kollege, spielen in "I Masnadieri" eine ganz besondere Rolle. Die Oper ist neben den "Lombarden" die einzige des Komponisten, die ein Kollektiv zu Titelhelden macht. Bei dieser Neuproduktion kann also endlich auch der Staatsopernchor punkten und vielleicht sogar mehr Jubel auslösen als die regelmäßig gefeierten Musiker im Orchestergraben.
Am Sonntag, 8. März, überträgt BR-KLASSIK ab 17:30 Uhr live die Premiere von Giuseppe Verdis Oper "I Masnadieri" aus der Bayerischen Staatsoper.
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