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Interview - Diana Damrau "Es war Liebe auf den ersten Ton"

Diana Damrau tourte gerade mit dem Bayerischen Staatsorchester und Kirill Petrenko durch Europa. Am Montag stand das Heimspiel in München an - unter anderem mit den "Vier letzten Liedern" von Richard Strauss. Für die Sopranistin ein ganz besonderes Highlight, verrät sie im Interview. Das Konzert gibt es hier zum Nachhören.

Koloratursopranistin Diana Damrau | Bildquelle: © Rebecca Fay Erato

Bildquelle: © Rebecca Fay Erato

BR-KLASSIK: Frau Damrau, die "Vier letzten Lieder" von Richard Strauss umrankt ein Mythos. Fast alle großen Sopranistinnen haben sie eingesungen, man misst sich an einer großen Aufnahmetradition. Auf der anderen Seite gibt es bei Facebook sogar eine eigene Fangruppe, den "Vier letzte Lieder fan club". Es gibt kaum ein anderes Werk, das so eine Aura hat. Wie erklären Sie sich das?

Diana Damrau: Die "Vier letzten Lieder" sind etwas ganz Besonderes. Es sind keine Arien. Es sind große Momente mit Orchester, in denen man als Sänger als ein Medium agieren muss. Ich glaube, man darf sie nicht als große Diva-Lieder empfinden. Sie erfordern künstlerische Reife, aber nicht unbedingt die größte Stimme der Welt. Sie erfordern ein Superorchester und einen Superdirigenten. Und dann wird aus dem Ganzen ein Gewebe, ein Moment des Nachdenkens und des Empfindens. Ich glaube, diese Lieder nehmen den Hörer mit in eine andere Dimension.

Die Arbeit mit Kirill Petrenko

BR-KLASSIK: Das heutige Konzert steht am Ende einer Tournee, die Sie mit Kirill Petrenko quer durch Europa geführt hat. In den Anspielproben konnten Sie immer weiter feilen, den Klang in unterschiedlichen Sälen ausprobieren und das Zusammenspiel verfeinern. Warum ist Kirill Petrenko der Dirigent, mit dem Sie diese Musik gerne machen möchten?

Kirill Petrenko ist ein Zauberer.
Diana Damrau, Sopranistin

Diana Damrau: Ich war so glücklich, als ich gefragt wurde - und mir gesagt wurde, dass Kirill das gerne mit mir machen würde. Ich sagte, das darf ich mir nicht entgehen lassen, das ist ein Geschenk des Lebens. Kirill ist ein Zauberer, ein Mensch, er hat Humor, er ist genau, er lässt aber auch zu und arbeitet immer weiter. Wir haben uns bei "Ariadne auf Naxos" kennengelernt, als ich in New York mein Met-Debüt hatte. Und das war wirklich Liebe auf den ersten Ton. Da wusste ich: Der lässt den Orchestersatz wirklich in allen Farben schimmern. Und vor allem: die Musik bleibt durchsichtig. Es wird keine fette Soße, über die auch kein dramatischer Sopran mehr drüberkommen kann. Das ist nämlich die große Gefahr der "Vier letzten Lieder". Es steht zwar kaum ein forte da, aber es klingt trotzdem oft sehr laut.

Eine Frage des Stimmsitzes

BR-KLASSIK: Ich habe Sie mit den Liedern schon in Luxemburg gehört. Und da ist mir aufgefallen, dass Sie ein ganz leuchtendes, aber auch sehr zurückgenommenes piano gesungen haben, sodass Ihre Stimme ganz eng verwoben war mit dem orchestralen Gewebe. Wie schafft man es, so leise zu singen und trotzdem präsent und leuchtend zu bleiben?

Diana Damrau: Stimmsitz. Wenn die Stimme wirklich richtig sitzt in meinen Resonatoren, in meinen "Lautsprechern", in meinem Kopf, dann trägt sie auch übers Orchester. Und in Luxemburg haben wir uns in dem Saal sehr gut gefühlt und gehört, sodass wir wirklich alle nochmal ein bisschen vom Gas weggegangen sind und der Atmosphäre noch mehr Raum gegeben haben. Ich sag' immer: Man geht nie zurück in ein piano, man geht immer hinein in ein piano. Es ist nie ein Zurücknehmen, es ist immer ein Schritt in eine andere Stimmung und eine andere Farbe. Und das ist uns in Luxemburg wunderbar gelungen. Jetzt bin ich auf das Konzert hier gespannt, denn ich weiß noch nicht genau, wie der Saal reagiert. Aber ich denke, die Münchner sind ja hier zu Hause, da werden wir hoffentlich was Schönes zaubern.

Diana Damrau und die Romantik

BR-KLASSIK: Hermann Hesse, der Dichter der ersten drei Texte, war mit den Vertonungen von Strauss gar nicht so zufrieden - vielleicht, weil er Strauss als Person nicht mochte. Jedenfalls hat Hesse diese Musik als "abgestandene Romantik" bezeichnet. Was bedeutet für Sie "Romantik"? Das ist ja ein unglaublich vieldeutiger Begriff...

Diana Damrau: Ich denke, da geht es vor allem um das Individuum und seine Gefühle - darum, den Gefühlen zu vertrauen und ihnen nachzugeben. Es geht also um keine konkrete Situation. Wenn man an die romantischen Dichter denkt, da kommt einem die Sehnsucht nach der Ferne, die "blaue Blume", die Todessehnsucht in den Sinn. Alles ist vom Gefühl getrieben. Es geht darum, rauszugehen aus dem normalen Umfeld. Dann ist da die Natur - sie ist ja auch der Spiegel der Seele, und das ist in diesen Liedern besonders da.

Wir müssen unsere Schätze kennenlernen und wahren!

Diana Damrau | Bildquelle: diana-damrau.com Bildquelle: diana-damrau.com BR-KLASSIK: Wenn man so viele Lieder singt wie Sie, dann wird man automatisch auch zum Liebhaber von Lyrik, oder?

Diana Damrau: Ja, auf alle Fälle. Die deutsche Sprache ist so reich und muss weiter gepflegt werden. Es ist traumhaft, was wir alles mit unserer Sprache ausdrücken können, welche Gefühlsschattierungen. Das ist im Englischen niemals möglich! Und das ist ein unglaublicher Schatz. Im Russischen ist das genauso.

Die Russen haben eine unglaubliche Poetik, Lyrik und Mentalität. Auch diese "russische Seele" ist etwas ganz Besonderes. Wir müssen unsere Schätze einfach kennenlernen und wahren. Und das ist die Aufgabe der Schulen, der Elternhäuser und auch der Medien.

Herausforderung Sprache

BR-KLASSIK: Wie wichtig ist es, dass man Muttersprachler ist, um diese ganze Vielfalt, die Nuancen und den Reichtum einer Sprache ausdrücken zu können - auch musikalisch?

Diana Damrau: Es hilft natürlich sehr, wenn man ein natürliches Verhältnis zur Sprache hat, weil man sich genau auf seinem Terrain bewegt. Das muss man, wenn man in einer fremden Sprache singt, erst lernen. Wenn ich beispielsweise russische Lyrik singe, muss ich genau wissen, mit welchem Gefühl ein Wort oder ein Satz verbunden ist. Es steckt viel Arbeit dahinter, aber nichts ist unmöglich.

BR-KLASSIK: Sie sind also auf muttersprachliche Sprach-Coaches angewiesen?

Diana Damrau: Ja, zum Beispiel. Besonders im Russischen, weil ich es nicht mal lesen kann. Aber ich fang jetzt doch mal an, mein Russisch weiter zu erarbeiten. Man lernt nie aus. Und das ist das Schöne an unserem Beruf, weil wir einfach dauernd mit solchen Herausforderungen konfrontiert sind.
Und weil wir ja etwas weitergeben wollen, ist es mir sehr wichtig, dass ich sorgfältig arbeite und dem Original so treu wie möglich bin. Und ich muss mir auch aller Farben, die in einem Text enthalten sind, bewusst sein. Vielleicht benutzte ich sie nicht immer alle, aber ich kann damit spielen, souverän damit umgehen und das dann weitertragen.

Das Interview für BR-KLASSIK führte Bernhard Neuhoff.

Live auf BR-KLASSIK

Dienstag, 20. September 2016, 20.03 Uhr
Akademiekonzert

György Ligeti: "Lontano"
Richard Strauss: "Vier letzte Lieder"
Peter Tschaikowsky: Symphonie Nr. 5 e-Moll

Diana Damrau, Sopran
Bayerischen Staatsorchesters
Kirill Petrenko, Leitung

BR-KLASSIK übertrug das Konzert live. Im Anschluss an die Sendung ist das Konzert 30 Tage lang auf br-klassik.de zum Nachhören verfügbar.

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