Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) hat die Ministerpräsidenten der Länder aufgefordert, verantwortbare Zuschauerzahlen für Konzerte, Theateraufführungen und Veranstaltungen zuzulassen. Für eine restriktive Behandlung bestehe keine Veranlassung. Die DOV hat 13 Ministerpräsidenten deshalb persönlich angeschrieben.
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Mindestens die Hälfte aller Plätze in Konzertsälen und Theatern sollten wieder besetzt werden, fordert DOV-Geschäftsführer Gerald Mertens. Im BR-KLASSIK-Interview verweist Mertens auf eine neue Regelung in Berlin. Dort hat man sich nun darauf verständigt, dass 50 Prozent eines Saales belegbar seien. Um die Sicherheit in Corona-Zeiten zu erhöhen, werden die Zuschauer schachbrettartig platziert und müssen nun auch während Vorstellung einen Mund-Nasen-Schutz tragen. So will man den Mindestabstand zwischen den Menschen auf einen Meter reduzieren. Das nun in den großen Berliner Sälen umzusetzen sei vertretbar, sagte Mertens weiter.
Momentan gibt es in Deutschland ein Durcheinander, wie viele Zuschauer in welchem Bundesland ins Konzert oder ins Theater dürfen. Die Deutsche Orchestervereinigung hält das für unlogisch.
Das erscheint weder nachvollziehbar noch verhältnismäßig.
In Nordrhein-Westfalen sind bis zu 1.000 Menschen in geschlossenen Räumen erlaubt, in Berlin und Rheinland-Pfalz können Konzertsäle und Theater nun zu 50 bis 60 Prozent belegt werden. Bayern hingegen ist besonders restriktiv und lässt nur 200 Besucher zu, abgesehen von Pilotprojekten an der Bayerischen Staatsoper und in der Philharmonie im Münchner Gasteig. Dort sind 500 Besucher erlaubt. Für den Geschäftführer der Deutschen Orchestervereinigung sind die Regeln nicht nachvollziehbar und auch nicht verhältnismäßig. Andere Bundesländer seien da schon viel weiter als Bayern, kritisiert Mertens im BR-KLASSIK-Interview. Natürlich müsse das Risiko von Corona-Infektionen so gering wie möglich gehalten werden. Mertens drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass Kulturveranstaltungen bei der Zulassung von Publikum besonders restriktiv behandelt werden.
Theater und Konzertsäle haben laut Mertens einen großen Vorteil: Die feste Bestuhlung gewährleistet eine sichere Besucherführung. Außerdem könnten personalisierte Karten eine Rückverfolgung von Kontakten ermöglichen. Warum die Züge der Deutschen Bahn ohne Rückverfolgungsmöglichkeit zu 100 Prozent ausgelastet werden dürften, Konzertsäle mit all ihren Vorteilen nicht zu 50 Prozent, versteht der DOV-Geschäftsführer nicht. Auflagen wie das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes am Platz hält die Deutsche Orchestervereinigung für machbar.
Je größer der Saal, umso mehr Besucher, das wäre eine Regelung, mit der Mertens sich anfreunden könnte. Besonders große Veranstaltungsräume wie das Nationaltheater, die Philharmonie und die Olympiahalle in München mit entsprechenden Belüftungsanlagen sollten mit mehr Besuchern als derzeit 200 oder 500 beleget werden, fordert der DOV-Chef.
Als besonders schwierig beschreibt Mertens die Situation der privaten Veranstalter, die 70 bis 90 Prozent Auslastung der Saalkapazität bräuchten, um überhaupt wirtschaftlich arbeiten zu können. Hier könnten günstigere Saalmieten helfen, damit private Veranstalter durch die Corona-Zeit kommen.
Öffentliche und private Veranstalter benötigten nun dringend Planungssicherheit, so Mertens. Dabei gehe es um Besucherkapazitäten und auch den Vorverkauf in den kommenden Monaten. Ansonsten drohe privaten Veranstaltern das Aus, warnt der DOV-Geschäftsführer. Auch freischaffende Musiker könnten die Zeit der Pandemie sonst nicht überstehen. Und öffentlich finanzierte Institutionen müssten mit einem "gravierenden Einnahme- und Akzeptanzverlust" rechnen, so Mertens.
Sendung: Leporello am 15. September 2020 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (8)
Donnerstag, 17.September, 11:19 Uhr
Wilfried Schneider
Zahl der zugelassenen Konzertbesucher
Der Herr Söder sollte aufpassen! Wenn er die Stadien für Besucher frei gibt, gleichzeitig aber Theater, Konzert- und Opernhäuser weiter bis fast zum Exitus stranguliert, könnte ihn das eine nicht unbeträchtliche Zahl an Wählerstimmen kosten! Falls der Herr das noch nicht mitbekommen hat: Theater-, Konzert- und Opernbesucher schweigen während der Veranstaltung und benötigen auch nicht jede Menge Alkohol zur Erhöhung der Konzentration. Statistisch sind Fußballfans außerdem im Vergleich zu Besuchern von Kulturveranstaltungen in der Minderheit.
Donnerstag, 17.September, 08:19 Uhr
Wilfried Schneider
Antwort an Luisa
Ich sitze lieber mit Maske im Konzert, als darauf zu verzichten. Und warum ist Maske tragen ein Angriff auf Ihre Gesundheit? Ich glaube, Sie wollen nur stänkern. Ich fühle mich durch die Maske in keiner Weise eingeschränkt und schön, wenn Sie nicht in die Konzerte gehen, so habe ich vielleicht die Chance, hin und wieder eine Karte zu erwischen. Danke für Ihren Verzicht.
Mittwoch, 16.September, 17:36 Uhr
Dr. Peter Strauß
Kultur mit Maske @Luisa
Lieber Konzert mit Maske ( die Ohren bleiben ja dabei frei ) als gar keine! In Salzburg waren 1000 Zuschauer dabei, das Orchester saß ohne Maske und im normalen Abstand im Orchestergraben und nichts ist passiert! Aber unseren abgehobenen MP juckt das nicht. Tu felix Bavaria habeas lacrimae????
Mittwoch, 16.September, 16:11 Uhr
Dr. Peter Strauß
Antwort an Julia
Woher wissen Sie das? Ich war beim vorgezogenen Kattenverkauf für Abonnenten des BRSO bei der Vorverkaufsstelle eine Stunde vor Beginn. Vor mir standen schon 10 Personen. Mach 1 1/2 Stunden kam ich endlich dran und habe gerade noch Karten für die von mir gewünschten Termine bekommen! Für die Philharmoniker bisher gar nichts. Bei der staatsoper warte ich auch bisher vergeblich!
Mittwoch, 16.September, 16:03 Uhr
luisa.schmedt@web.de
Erpressung
Den Schwarzen Peter haben die Zuschauer. Was für eine Zumutung, das gesamte Konzert eine Maske tragen zu müssen! Ich bezweifle, ob viele darauf Lust haben, ich werte das als Angriff auf meine Gesundheit und werde dann ganz bestimmt gar nicht mehr gehen.
Mittwoch, 16.September, 01:22 Uhr
Julia
Kommen aber so viele Zuhörer?
Mehr Zuhörer zulassen, ist die eine Sache. Die andere Sache ist, ob dann auch mehr Zuhörer kommen werden. Die Konzerte sind auch bei der derzeitigen Regelung nicht ausverkauft.
Ich gehe derzeit ins Konzert, weil ich mich dort sicher fühle. Bei einer Schachbrettlösung weiß ich nicht, ob ich hingehen möchte. Und Konzerte mit Maske machen eigentlich auch keinen Spaß.
Dienstag, 15.September, 18:08 Uhr
Jakobine Kempkens
Planungssicherheit für Veranstalter
Lt. "SZ" online von17.38 Uhr haben sich die Länderchefs geeinigt, ab sofort testweise für 6 Wochen bei Fuß-, Hand- und Basketball eine Zuschaueranzahl von 1000 bis zu 20% der jeweiligen Stadionkapazität zuzulassen. Wenn Söder & Co. jetzt noch weiter auf 200 Zuschauern bei Kulturveranstaltungen beharren, sind sie nicht mehr glaubwürdig und sollten das Geschwafel vom Kulturstaat Bayern ab sofort unterlassen.
Dienstag, 15.September, 17:56 Uhr
Dr. Peter Strauß
Konzertbesucher
Kulturstaat ade! Aber weil ja statistisch gesehen nur 3 bis 5% der Bevölkerung Kultur konsumieren kann man das mit uns ja machen. Warum gehen wir organisiert von den vielen Freundeskreisen nicht endlich mal such auf die Straße?!