Fünfhundert Besucher pro Vorstellung – der Bayerischen Staatsoper ist das seit dem 1. September im Rahmen eines Pilotversuchs erlaubt. Kurz darauf durfte rechtzeitig zum Saisonstart der Münchner Philharmoniker auch der Gasteig seine Besucherzahl von zweihundert auf fünfhundert Plätze anheben. Andere bayerische Säle haben – mit Ausnahme der Meistersingerhalle in Nürnberg – weiterhin das Nachsehen. Ein willkürliches Vorgehen der Regierung?
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Erst fünfzig, dann hundert und schließlich zweihundert Personen durfte der Gasteig in den großen Saal seiner Philharmonie einlassen. Am 8. September der Bescheid, dass fünfhundert der insgesamt rund 2.400 Plätze besetzt werden dürfen. Gerade rechtzeitig zum Saisonauftakt der Münchner Philharmoniker mit Dirigent Valery Gergiev und der niederländischen Geigerin Janine Jansen. Damit weiteten der Freistaat Bayern und die Landeshauptstadt München die Pilotphase, die Anfang September an der Bayerischen Staatsoper begann, auf den Gasteig aus. Bis Mitte Oktober soll dieses Projekt laufen.
Ich freue mich, dass der Freistaat meine Anregung aufgegriffen und die Philharmonie in das Pilotprojekt mit aufgenommen hat.
Für den Intendanten der Münchner Philharmoniker Paul Müller ist diese Entscheidung längst überfällig.
Natürlich ist das Grund zur Freude und perspektivisch von enormer Bedeutung: ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung!
Man habe im Juni und Juli eindrücklich bewiesen, dass mit einem strikten Hygienekonzept der gesundheitliche Schutz des Konzertpublikums möglich sei. Unverständlich ist für den Philharmoniker-Chef, warum die Bayerische Staatsoper mit weniger Plätzen schon viel früher die Erlaubnis bekam, ihr Haus höher auszulasten: "Im Verhältnis zur Staatsoper verfügt die Philharmonie im Gasteig mit 2.400 Plätzen sogar über ein höheres Raumvolumen, über ungleich mehr Foyerfläche, über eine Vielzahl von Eingängen zum Saal und über eine gleichermaßen leistungsfähige Belüftungs- und Klimatechnik."
Der erforderliche Mindestabstand wird auch bei einer Kapazität von fünfhundert Personen nicht nur eingehalten, sondern noch immer weit übertroffen.
Die zusätzlichen Karten für das Konzert am Freitag sowie alle weiteren Konzerte der Münchner Philharmoniker werden ab Donnerstag, den 10. September, um 10 Uhr im Webshop verfügbar sein.
Bayerns Kunst- und Wissenschaftsminister Bernd Sibler | Bildquelle: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa Inzwischen dürfen in ganz Bayern nur drei Säle mit mehr als zweihundert Menschen besetzt werden: die Bayerische Staatsoper, der Gasteig und die Nürnberger Meistersingerhalle. Doch was ist mit dem Herkulessaal, den Theatern in Würzburg, Augsburg, Regensburg oder anderen Konzertsälen in Bayern? Ursprünglich sollte das Pilotprojekt bis Ende September dauern. Zwischenzeitlich wurde es um weitere zwei Wochen bis zum 14. Oktober verlängert. "Damit verbessern wir die Faktenbasis, auf der verantwortungsvolle Entscheidungen in Zukunft getroffen werden können", sagte Sibler. Dafür arbeitet das Kunstministerium mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit zusammen. "Es geht um Fragen wie Lüftung, Abstände und Leitsysteme", erklärt Sibler im Gespräch mit BR-KLASSIK. Außerdem seien alle Tickets personalisiert, um bei Infektionen "sehr schnell und ohne große Datenrecherchen dann auch diese Nachricht erhalten zu können."
Die Entscheidung der Bayerischen Regierung scheint dennoch willkürlich. Kommt nur der zum Zuge, der das beste Standing in der Staatskanzlei hat oder der laut genug ruft? (Nach dem Start des Pilotversuchs hatten die Münchner Philharmoniker eine Ausnahmeregelung für den Gasteig gefordert.) Auch andere Konzerthäuser wie Berlin, Köln, Dresden und Hamburg – und insbesondere die Salzburger Festspiele – haben zuletzt gezeigt, was möglich ist und dass die Besucher sehr verantwortungsvoll mit der aktuellen Situation umzugehen wissen.
Wir müssen auch darauf achten, dass wir unserer Verantwortung in allen Richtungen gerecht werden.
Die ein oder andere Entscheidung sei sehr schnell und überraschend gekommen, erläutert Kunstminister Sibler gegenüber BR-KLASSIK. "Tatsächlich versuchen wir sehr intensiv, ein ausgeglichenes und ausgewogen System hinzubekommen."
Sendung: "Allegro" am 9. September 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (3)
Donnerstag, 10.September, 11:39 Uhr
Hoppe Rudolf
Konzertpublikum
Die restriktive Haltung der bayer. Landesregierung bzgl. Publikum in Konzertsälen ist nicht nachvollziehbar. Aus Kölner Erfahrung kann ich nur sagen, dass eine beträchtliche Erhöhung problemlos möglich wäre (in die Kölner Philharmonie können unter Einhaltung aller Vorschriften 1000 Besucher hinein). Ein Positivum: Es wird während eines Konzertes nicht mehr gehustet! Ich kann nur raten, mit Nachdruck in der Staatskanzlei vorstellig zu werden.
Rudolf Hoppe
Mittwoch, 09.September, 19:17 Uhr
Jakobine Kempkens
500 im Gasteig
Wieder einmal Planlosigkeit, Aktionismus, Willkür und Arroganz seitens der Staatsregierung. Erwarten der Minister und sein König jetzt den katzbuckelnden Kniefall und das flehende Betteln der OB und Kultureferenten von Nürnberg, Regensburg etc. ? Dass Kultur viel mehr ist als ein virtuelles Bierzelt scheint in der Staatskanzlei noch immer nicht (oder noch nie?) verstanden worden zu sein! Jedoch - wir kulturinteressierten BürgerInnen haben im nächsten Herbst Gelegenheit, die staatstragende Partei auf den ihr gebührenden Platz einer nicht systemrelevanten Provinzpartei zu verweisen.
Mittwoch, 09.September, 10:16 Uhr
Ulrich Wittermann
500 im Gasteig
Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Besucherzahlen in allen Konzertsälen nach den durchweg positiven Erfahrungen an anderen Orten (z.B. Salzburg) nicht nach oben korrigiert werden. Ein Herkulessaal ist kein Gärtnerplatz! Konzertbesucher*innen keine Partygänger! Kultur keine simple Freizeitgestaltung sondern Menschenrecht! Und wir sind alle Menschen.