Seit einem Jahr gibt es Pegida-Kundgebungen in Dresden gleich neben der Semperoper. Und seit einem Jahr versucht das Haus, sich gegen die fremdenfeindlichen Demonstranten abzugrenzen - mit allen Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen. Über die Entwicklung des letzten Jahres und die aktuelle Lage sprach BR-KLASSIK mit Wolfgang Rothe, Kaufmännischer Geschäftsführer des Staatstheaters Dresden und Kommissarischer Intendant der Semperoper.
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BR-KLASSIK: Herr Rothe, seit einem Jahr gibt es nun die Pegida-Kundgebungen in Dresden. Dazu haben sie eine beeindruckende Kulisse: die Semperoper. Die Staatsoper Dresden tut einiges, um sich klar von Pegida abzugrenzen. Was sind das für Aktionen?
Wolfgang Rothe: Wir haben im September 2014 eine erste große Aktion gegen das sogenannte "Weihnachtslieder – Singen" auf dem Theaterplatz durchgeführt. Dabei haben wir das Licht ausgeschaltet und Projektionen auf unser Haus vorgenommen, die für eine weltoffene Gesellschaft eintraten. Gemeinsam mit anderen Einrichtungen haben wir eine Containerinstallationen betrieben, bei der Künstler, Wissenschaftler und Bürger aus den verschiedensten Bereichen in Dresden aktiv die Begegnung und den Austausch mit den Mitbürgern in dieser Frage gesucht haben. Wir haben Fahnen auf dem Platz und am Gebäude angebracht: "Augen auf. Herzen auf. Türen auf. Die Würde des Menschen ist unantastbar." Für ein weltoffenes Dresden. Jetzt ist Pegida ja schon ein Jahr alt geworden. Der Geburtstag wurde am 19. Oktober am Theaterplatz vor der Semperoper gefeiert. Unser Arbeitstitel war: „Wir wollen nicht die Geburtstagstorte für Pegida sein“. Dazu haben wir einen großen Bildschirm über den Eingang des Hauses angebracht, auf dem Texte zu lesen waren wie "Wir sind kein Bühnenbild für Fremdenhass, wir sind keine Kulisse für Intoleranz."
BR-KLASSIK: Wenn Sie klar Position beziehen, auf der Bühne und durch Aktionen am Opernhaus, welche Reaktionen erleben Sie?
Wolfgang Rothe: Das ist ein Für und Wider. Wir bekommen auf der einen Seite Zuschriften und Mails, die sagen: "Gut, dass ihr das macht." Diese Zuschriften kommen aus Dresden, aber auch aus ganz Deutschland und auch aus dem Ausland. Aber wir bekommen natürlich auch viele Zuschriften, wo eben in Frage gestellt wird, warum wir uns so politisch äußern, warum wir uns gegen Pegida richten. Wir halten natürlich immer dagegen, dass das auch unsere Aufgabe ist, gesellschaftspolitisch zu agieren.
BR-KLASSIK: Auf der Hebsttagung der deutschsprachigen Opernkonferenz am vergangenen Wochenende haben Sie davon gesprochen, dass sich Pegida weiter radikalisiert hat. Inwiefern können sie das feststellen?
Wolfgang Rothe: Das beginnt schon damit, dass der Ton, der angeschlagen wird, sich deutlich anders gestaltet als noch vor einem Jahr. Die Mitglieder unserer internationalen Ballettkompanie trauen sich am Montagabend nicht mehr zu den Ballettproben, die üblicherweise um 18.00 Uhr beginnen - nicht auf den Weg zu den Proben und auch nicht zurück. Das heißt, wir haben montags im Moment keine Proben mehr, weil es eben zu heftigen verbalen Übergriffen gekommen ist gegenüber unseren Kolleginnen und Kollegen. Viele trauen sich auch nicht mehr Englisch zu sprechen, weil das eben auch schon zu verbalen Übergriffen geführt hat. Noch nicht zu Gewalt im körperlichen Sinne, aber zu heftigsten verbalen Attacken. Dem sehen wir uns täglich ausgesetzt. Und wir stehen da an der Seite aller Kolleginnen und Kollegen, die aus aller Welt hier nach Dresden gekommen sind, um hier gemeinsam Kunst auf die Bühne der Semperoper zu bringen.
BR-KLASSIK: Das heißt ihre Kolleginnen und Kollegen können ihre Arbeit nicht mehr in gewohnter Weise ausüben, weil sie Angst vor Pegida haben?
Wolfgang Rothe: Ja, das kann man so sagen. Sie kennen ja alle die Bilder vom Galgen, an dem Frau Merkel aufgehängt wird. Sprüche in den Kundgebungen, wo man bedauert, dass die KZs leider nicht mehr in Betrieb sind. Das ist sicherlich eine besondere Spitze, die ich jetzt hier herausgreife, aber es gibt da eine Vielzahl von unterschwelligen Drohungen. Mir begegnet persönlich auch immer wieder die Drohung: "Wir werden uns ihren Namen merken, Herr Rothe." Das geht einem ja schon irgendwie nahe, dass man offensichtlich schon Listen anlegt von unbequemen Menschen.
BR-KLASSIK: Wie gehen Sie persönlich mit solchen Drohungen um?
Wolfgang Rothe: Da sie sich auf diesem niedrigen Niveau bewegen, nehme ich sie nicht wirklich zur Kenntnis und reagiere nicht darauf. Wir machen hier die Arbeit weiter, die ein Theater gerade in dieser Zeit zu leisten hat. An Montagen haben mittlerweile eine schwächere Nachfrage nach Karten - das macht sich bei uns auch betriebswirtschaftlich bemerkbar – wir werden aber deshalb nicht zurückweichen und sagen, am Montag spielen wir hier in der Semperoper nicht mehr. Der Montag war immer auch ein Tag, an dem die Semperoper spielt, und das soll auch so bleiben.
BR-KLASSIK: Das Pegida-Bündnis wird ja voraussichtlich so schnell nicht aufhören. Wie werden Sie weiter agieren?
Wolfgang Rohte: Wir werden uns natürlich immer wieder neue Aktionen überlegen. Wir dürfen dabei auch nicht vergessen, dass wir natürlich auch einen Regelbetrieb zu gewährleisten haben, das heißt, wir müssen unsere neuen Opern und Ballettproduktionen auf der Bühne realisieren und einen sehr umfangreichen Spielbetrieb, der natürlich immer im Zentrum steht. Aber darüber hinaus werden wir immer wieder Aktionen positionieren, wo wir uns für die humanistischen Werte stark machen, die ja nun auch auf die Aufklärung zurückgehen, die Niederschlag in unserem Grundgesetz gefunden haben und für die sich Theater immer wieder einsetzt, jeden Abend wieder. Das werden wir in der Zukunft auch immer weiter tun.
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