Die ganze Musikwelt blickt gerade nach Hamburg. Hier wird nach jahrelangem Warten am Mittwoch endlich die Elbphilharmonie feierlich eröffnet. Noch rätseln alle: Wie klingt sie denn - so gut wie versprochen, oder vielleicht doch nicht? Timo Janzen, Bassist im BR-Chor, durfte den Klangtest machen - und ist begeistert.
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Es ist wohl zur Zeit das bestgehütete Geheimnis der Klassikwelt: Was wird beim Eröffnungskonzert der Elbphilharmonie am 11. Januar auf dem Programm stehen? Es gibt aber noch zahlreiche weitere spannende Fragen: Wie ist die Akustik? Wie fühlt es sich an, in einem der 2.100 Sessel des Großen Saals Platz zu nehmen? Noch ist es nicht gestattet, den Saal zu betreten. Strenge Sicherheitsvorkehrungen schützen das Herzstück der "Elphi" vor neugierigen Augen und Ohren. Erst am Mittwoch wird das NDR Elbphilharmonie Orchester zusammen mit dem NDR Chor und dem Chor des Bayerischen Rundfunks die Akustik des Großen Saals austesten. Timo Janzen ist Bassist im BR-Chor. Am Samstag durfte der Musiker im Rahmen einer Probe zum ersten Mal den Großen Saal betreten.
BR-KLASSIK: Herr Janzen, es heißt ja, die Musiker des NDR Elbphilharmonie Orchesters hätten bei der ersten Probe im Großen Saal der Elbphilharmonie vor Freude geweint. Wie ging es Ihnen bei den ersten Tönen?
Timo Janzen, Bassist beim BR-Chor | Bildquelle: Ackermann Timo Janzen: Ich habe zwar nicht geweint, fand aber den Raumklang fantastisch. Mit dem BR-Chor hab ich schon viele Säle ausprobiert. Unser Stammsaal im Gasteig oder der Hekulessaal sind dabei eher die schlechteren Beispiele. Wir Chorsänger mögen es gerne, wenn wir erstens gehört werden, weil wir meistens hinter dem Orchester stehen, und zweitens wenn wir uns selbst gut hören können. Ich stehe als Bassist hinten links, für mich ist es sehr viel einfacher zu singen, wenn ich die anderen Stimmgruppen auch mitkriege - und das ist hier der Fall. Außerdem müssen wir in den Sälen von schlechterer Qualität wahnsinnig viel Gas geben und laut singen, damit der Chor überhaupt gehört wird. In der Elbphilharmonie können wir die Kräfte sparen - und es kommt trotzdem gut rüber. Wir vom BR-Chor schreiben uns ja auf die Fahnen, dass wir unser Pianissimo in die Welt tragen - und das können wir in der Elbphilharmonie wirklich.
BR-KLASSIK: Und konnten Sie auch schon vom Zuschauerraum aus Klangeindrücke sammeln?
Timo Janzen: Die letzten zehn Minuten von der Probe hatten wir Sänger frei und ich bin im Raum herumgelaufen, um das Orchester anzuhören - und das ist wirklich die Oberwucht! Man hört von allen Plätzen wunderbar, keine der Instrumentengruppen fällt raus, die verschachtelten Wände im Saal bringen ganz tollen Klang, absolut fantastisch! Und man glaubt gar nicht, wie viele Plätze der Große Saal beherbergt - die 2.100 Sitze sieht man ihm nicht an, er wirkt viel kleiner. Es ist ganz anders als in der Philharmonie im Gasteig, einer offenen Riesenhalle.
BR-KLASSIK: Das Programm des Eröffnungskonzerts am Mittwoch ist streng geheim. Können Sie trotzdem verraten - ohne die Stücke konkret zu nennen -, was die Zuschauer erwartet?
Timo Janzen: Es wird natürlich große Symphonik geben, es gibt sehr intime Teile, es gibt sehr kraftvolle, bombastische Werke. Was ich persönlich bei der Stücke-Auswahl toll fand, ist, dass ein kurzes a capella-Stück innerhalb eines größeren Werks eingebettet ist. Das ist für uns natürlich super, dass der Chor sich solo zeigen darf. Ich finde, Thomas Hengelbrock hat bei der Programmauswahl ein gutes Händchen bewiesen: Er eröffnet diesen Saal mit einem nicht unbedingt rein traditionellen Programm - und das ist gut so.
BR-KLASSIK: Sie sind sicherlich mit bestimmten Erwartungen nach Hamburg aufgebrochen. Wurden sie erfüllt?
Timo Janzen: Auf jeden Fall! Man kann von jedem Platz im Großen Saal gut sehen, wahnsinnig toll hören, das macht einfach Spaß! Und die Architektur ist phänomenal. Ich könnte hier den ganzen Tag herumgehen und ein Foto nach dem anderen schießen.
BR-KLASSIK: Und wie fühlt es sich an, als einer der ersten Musiker die Elbphilharmonie zu bespielen?
Timo Janzen: Ich war ehrlich gesagt ein bisschen enttäuscht, dass wir nicht die allerersten sind: Sasha Waltz hat ja hier schon mit ihrer Compagnie getanzt. Aber eben ohne Klang, ohne Musik. Wir bringen die ersten Töne rein - und das ist eine große Ehre.
BR-KLASSIK: Könnte sich München für seinen neuen Konzertsaal vielleicht etwas von der Elbphilharmonie abschauen?
Timo Janzen: Die Architektur ist natürlich nicht übertragbar - der Bau passt hier perfekt zum Wasser und zum Hafen. Gestern schien noch die Sonne, heute gibt’s typisches Hamburger Schmuddelwetter - aber auch im Regen sieht die Elbphilharmonie gut aus. Was die Klangfähigkeit auf allen Positionen betrifft: Das wäre auf jeden Fall ein Vorbild für München. Ich hoffe auch, dass wir architektonisch etwas wagen, dass es nicht klein und gutbürgerlich wird, sondern ein richtiger Hingucker.
BR-KLASSIK: Haben Sie schon eine Lieblingsecke in der Elbphilharmonie für sich entdeckt?
Timo Janzen: In der Außenhaut gibt es Rundungen, darin befinden sich kleine ovale Fensterchen, die man aufmachen kann. Die finde ich fantastisch! Außerdem hat man ganz oben über den Orgelpfeifen den besten Ausblick über den Großen Saal. Das ist ein ganz toller Platz, von dem aus würde ich mir gerne ein ganzes Konzert anhören.
Das Programm der beiden Eröffnungskonzerte steht unter dem Wagner-Motto "Zum Raum wird hier die Zeit". Thomas Hengelbrock verspricht eine musikalische Zeitreise von der Renaissance bis zur Gegenwart. Mit von der Partie ist neben dem NDR Chor auch der Chor des Bayerischen Rundfunks. Höhepunkt des Konzerts ist die Uraufführung von "Reminiszenz - Triptychon und Spruch im memoriam Hans Henny Jahnn", einem Werk für Tenor und großes Orchester, das der NDR eigens für den festlichen Anlass bei Wolfgang Rihm in Auftrag gegeben hat. BR-KLASSIK überträgt das Ereignis live in Surround aus Hamburg, auch im Video-Stream.