Ein Orchester klingt nach Fankurve und aus dem Chor kommen Stadiongesänge: Moritz Eggerts "Fußballoratorium" ist ein außergewöhnliches Werk. Gerade probt der Komponist in Südtirol für die Münchner Erstaufführung. Ein Probenbesuch.
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Die Vuvuzelas in Deutschlandfarben sind bereit. Der Chor singt nicht nur, er klatscht, trötet und scheppert auch wie eine echte Stadion-Fankurve. Die Proben für Moritz Eggerts "Fußballoratorium" sind in vollem Gange. Sie gleichen einem Trainingslager: 157 Stipendiaten und Alumni der Studienstiftung des deutschen Volkes sind für über eine Woche nach Brixen in Südtirol gekommen, um dort zu proben. Freizeit- und Profimusiker arbeiten intensiv, kommenden Sonntag werden sie das Werk in München erstaufführen. Die Philharmonie im Gasteig wird zu ihrem Stadion.
Der Münchner Komponist Moritz Eggert ist selbst Alumnus der Stiftung, er wird in Brixen zum Coach: Sein Stück studiert er mit den Teilnehmern ein und dirigiert es in den Abschlusskonzerten in Toblach und München. "Die Tiefe des Raumes. Ein Fußballoratorium" heißt sein Werk. Es ist ein musikalisches Fußballfest, zwei Mal 45 Minuten lang. Eggert hat es anlässlich Weltmeisterschaft 2006 auf ein Libretto von Michel Klaus komponiert.
Bildquelle: Felicia Englmann "Ich habe für dieses Stück wirklich sehr, sehr viel Zeit im Stadion verbracht. Ich saß dort mit dem Notenheftchen und habe mir Notizen gemacht. Ich habe einfach alles aufgeschrieben, was ich gehört habe", sagt Eggert. Und da gibt es einiges zu hören: Zur Champions League läuft Händel, in Liverpool zitiert man aus einem Rodgers/Hammerstein-Musical und umgetextete Schlager hört man sowieso in jeder Fankurve. "Das ist in dieses Stück eingeflossen", sagt Eggert, "es gibt aber auch ganz klare Neue-Musik-Momente, die eher experimentell gedacht sind."
Das kann auch herausfordernd sein: "Permanent gibt es Tempowechsel", sagt Irma Heinig, Paukerin im Orchester und Fan von Hansa Rostock. "Alle haben zu kämpfen, man fühlt sich wie ein Spieler auf dem Platz. Aber das macht das Besondere aus."
Es ist lustig, wie die ganzen Gesänge, die man vom Fußball aus dem Fernsehen kennt, zu einer Komposition werden.
Bildquelle: Felicia Englmann Moritz Eggert, selbst bekennender FC-Bayern-Fan, steckt in den Proben selbst Fußballmuffel mit seiner Begeisterung an – und bekommt dafür auch etwas zurück: "Der Einsatz wird belohnt mit größerem Enthusiasmus und größerem Probenwillen als ich es je bei einem Profi-Orchester erlebt habe. Das hier ist ja für alle Anwesenden Freizeit. Da kann man musikalisch eine Energie erzeugen, die man sonst nicht oft hat", sagt der Komponist.
Wenn am Sonntag die Münchner Erstaufführung vorbei ist, wird es manchem Teilnehmer wohl wie einst Jürgen Klinsmann gehen: "Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann."
Sendung: "Leporello" am 23. August 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK