Krimis sind eine beliebte Gattung. Eintauchen in die Psyche eines Serienmörders – das soll jetzt auch auf der Opernbühne möglich sein. An der Komischen Oper Berlin gibt es am 5. Mai 2019 die Uraufführung einer Oper von Moritz Eggert: "M – eine Stadt sucht einen Mörder". Barrie Kosky inszeniert, Moritz Eggert hat die Musik dazu geschrieben. Er erzählt BR-KLASSIK von seinem Streben, eine neue Klanglichkeit ins Opernhaus zu bringen.
Bildquelle: Mara Eggert / musikhochschule-muenchen.de
BR-KLASSIK: Der Filmregisseur und Drehbuchautor Fritz Lang hatte ein Faible für Verbrecher. So gibt es neben dem berühmten Film "Metropolis" auch "M - eine Stadt sucht einen Mörder". Was macht den Film für Sie heute als Oper beziehungsweise als Vorlage dafür interessant?
Moritz Eggert: Der Stoff – und weil er so mit Berlin verhaftet ist. Er hat uns alle drei einfach fasziniert: Barrie Kosky, Ulrich Lenz und mich, die wir auch das Konzept für das Stück gemacht haben. Uns war ganz schnell klar, dass es nicht darum geht, den Film auf die Bühne zu bringen oder zu imitieren, denn die Oper kann mit dem Film nicht konkurrieren. Fritz Lang hat in seinem Film so viel Bahnbrechendes gemacht, was für das Filmgeschäft später sehr wichtig wurde. Das zu imitieren wäre nur fad. Wir hatten einen anderen Ansatz: In der Oper kann man in die emotionale Welt des Kindermörders eintauchen. Quasi die Welt durch seine Augen sehen. Das kann wiederum der Film nicht. Die Oper ist ein sehr gutes Medium, um Emotionen und Wahnsinn darzustellen. Genau das hat uns daran gereizt.
Die Oper kann mit dem Film nicht konkurrieren.
BR-KLASSIK: Sie, Barrie Kosky und Ulrich Lenz haben das Libretto gemeinsam konzipiert. Geschieht das "Eintauchen" hauptsächlich durch die Musik oder auch durch die Texte?
Bildquelle: @jan windszus Moritz Eggert: Es ist eine Mischung aus allem. Sprache spielt in dem Stück eine ganz große Rolle. Wir benutzen über weite Strecken Originaltexte aus dem Drehbuch, einem sehr modernen Drehbuch für die damalige Zeit. Manchmal hat man das Gefühl, man sei Mäuschen bei einer Polizeiinvestigation oder bei den Gaunern, die beraten, wie sie M zur Strecke bringen. Was das Stück angeht, da spielt die Musik eine ganz wichtige Rolle. Durch sie gelangen wir in den Kopf von M. Das ist mein Versuch, eine andere Klanglichkeit im Opernhaus zu schaffen. Wir sind die frontale Akustik gewohnt. Selbst wenn Elektronik in Stücken verwendet wird, wirkt der Klang eher frontal. In dieser Oper entfernen wir uns ästhetisch komplett vom üblichen Opernklang. Das Orchester ist verstärkt, ebenso auch alle Sänger und die elektronischen Instrumente. Es entsteht ein Surroundsound, der ein neues Hörerlebnis bietet. Das technisch so hinzubekommen, dass wir zufrieden sind, ist im Moment die Herausforderung.
BR-KLASSIK: Fritz Lang hat in seinem Film viel mit Geräuschen gearbeitet. Welche Musik haben Sie komponiert?
Moritz Eggert: Geräusche spielen im Stück auch eine Rolle, aber eher abstrakte elektronische Geräusche. Der Sound ist untypisch für die Oper. Die Sänger des Chores werden durchgehend mit elektronischen Effekten verfremdet, ein bisschen wie ein Filmchor, der mit den Orchesterklängen verschmilzt. Rein akustisch wäre das auf diese Weise gar nicht möglich. Teilweise sind die Klänge im Chor menschlich nicht herstellbar: Zum Beispiel gibt es oft doppelt oktavierte Basstöne, die von Bässen gesungen werden, aber zwei Oktaven tiefer klingen – also in Subresonanzen. Das ist auch Teil der Komposition.
Eine zu fetischistische Beschäftigung mit dem Klang lenkt eher ab.
BR-KLASSIK: Sie haben vorhin vom Surroundsound gesprochen, der eben auch durch elektronische Verstärkung des Orchesters hergestellt werden soll, und davon, dass Sie damit auch noch experimentieren. Trotzdem: Wie soll das vor sich gehen, ist der Sourround dann der Kopf des Mörders?
Moritz Eggert: In gewisser Weise ja. Ich wollte eben nicht diese typische Trennung: Ich sitze als Zuschauer da, der Vorhang geht auf, im Graben wird gespielt, und dann höre ich die Sänger. Diese traditionelle Opern-Guckkasten-Bühnensituation wollte ich ein bisschen durchbrechen. Ich wollte probieren, eine andere Klanglichkeit zu schaffen, weil ich vom etablierten Klang gelangweilt bin. Ich habe oft das Gefühl, dass die Intensität des Klanges bei elektronischer und zeitgenössischer Musik hintenansteht. Das zu ändern, ist für mich ein neues Feld, wird für mich aber immer wichtiger. Früher habe ich immer gesagt: Klang ist das unwichtigste an Musik, auch weil ich jemand bin, der sehr viel Sorgfalt und Wert auf einzelne Töne und die Melodik legt. Da lenkt dann eine zu fetischistische Beschäftigung mit dem Klang eher ab. Klang als Transportmittel von Emotion interessiert mich immer mehr. Und diese Oper ist ein Schritt in diese Richtung.
Sendung: "Leporello" am 30. April 2019 ab 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK