Eine wertvolle Guarneri-Geige befand sich im Besitz eines jüdischen Musikalienhändlers, ehe sie den Nationalsozialisten in die Hände fiel. Auf den ersten Blick scheint die Sachlage klar: Es handelt sich hier um NS-Raubgut. Die Nürnberger Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung aber, in deren Besitz sich die Geige heute befindet, weist die Kritik der Beratenden Kommission in Berlin jetzt zurück. Die Erben hätten keinen Anspruch auf eine Wiedergutmachung, erklärte die Stiftung am Mittwoch.
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Gegenstand des Streits ist eine wertvolle Violine des italienischen Geigenbaumeisters Guarneri aus dem 18. Jahrhundert. Das Instrument hat dem jüdischen Musikalienhändler Felix Hildesheimer aus Speyer gehört. Er hatte die Geige 1938 erworben. Wegen seiner jüdischen Abstammung war Hildesheimer kurz darauf gezwungen gewesen, sein Wohnhaus und die Musikalienhandlung zu verkaufen. Die Familie verließ Deutschland, Hildesheimer selbst beging Selbstmord. 1974 kaufte die Nürnberger Geigerin Sophie Hagemann die Guarneri. Nach ihrem Tod im Jahr 2010 ging die Violine in den Besitz der Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung über.
2016 befand die Berliner Kommission für die Rückgabe von NS-Raubkunst anhand der vorliegenden Informationen: Die Guarneri-Geige wurde der Familie durch Zwangsverkauf oder Beschlagnahmung genommen. Deshalb empfahl sie eine Entschädigung für Hildesheimers Erben. Die Franz Hofmann und Sophie Hagemann Stiftung in Nürnberg zeigte sich damals willig, der Empfehlung der Beratenden Kommission für die Rückgabe von NS-Raubkunst zu folgen und den Erben des früheren Besitzers 100.000 Euro zu zahlen. Die Stiftung werde alles daransetzen, die Summe zur Ausgleichszahlung aufzubringen, hieß es vor fünf Jahren.
Nun liegen neue Forschungsergebnisse vor und die Stiftung bewertet die Situation neu: Wahrscheinlich hat der Musikalienhändler Hildesheimer die Geige nicht auf eine Weise verloren, durch die die Erben einen Anspruch auf Wiedergutmachung hätten. Es sehe vielmehr so aus, als sei Hildesheimers Musikalienhandlung zum Zeitpunkt des Verkaufs der Guarneri noch nicht zwangsverkauft worden. Damit hätte die Geige die Musikalienhandlung als normale Handelsware verlassen. Sie tauche auch nicht in der Liste der zwangsenteigneten Gegenstände auf, die von der Familie nach dem Krieg erstellt wurde – so die Begründung der Stiftung.
Die Kommission für die Rückgabe von NS-Raubkunst widerspricht: Es sei "nicht ersichtlich, wie Felix Hildesheimer die Geige auf eine Weise verloren haben könnte, die heute nicht zur Restitution verpflichten würde". 1939 beging der Jude Felix Hildesheimer Selbstmord, seine Töchter und seine Frau konnten aus Deutschland fliehen. Das Mobiliar der Familie wurde von der Gestapo beschlagnahmt und versteigert – aus Sicht der Kommission ein Beleg dafür, dass die Geige als NS-Raubgut einzustufen ist.
Sendung: "Leporello" am 21. Januar 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (1)
Montag, 01.Februar, 16:36 Uhr
M.A.Lehner
Der Stiftungsvorstand versteckt sich hinter Paragraphen, verneint offensichtlich die Washingtoner Erklärung (Beweislastumkehr ab 1935). Erfüllen Sie endlich Ihre Pflicht zur Restitution, Ihr Herren Professoren und Kulturrefenten. Alles andere ist einfach nur erbärmlich und egoistisch und widert mich zu tiefst an.