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Geri Allen ist überraschend gestorben Große Trauer um Jazzpianistin

Sie gehörte zu den bedeutendsten Pianisten des Nachkriegs-Jazz und wurde nicht nur von ihren Kollegen wie eine Ikone verehrt. Mit nur 60 Jahren ist Geri Allen nun in Philadelphia gestorben.

Jazzpianistin Geri Allen | Bildquelle: picture alliance / Photoshot

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Noch im Mai hat die Pianistin Geri Allen im Neuburger "Birdland" im Duo mit dem legendären italienischen Trompeter Enrico Rava das einzige Deutschland-Gastspiel während einer kleinen Europa-Tournee gegeben. "Man hat ihr nichts angesehen. Sie sah gut aus und hat so vital wie immer gespielt. Es war ein großartiges Konzert", erinnert sich Manfred Rehm, der Vorsitzende des Clubs, der auch für die Programmgestaltung im "Birdland" zuständig ist. Gewundert hat Rehm nur, dass die Detroiter Pianistin von auffallender Herzlichkeit gewesen sei, ihn dauernd umarmte und in Begleitung einer vierköpfigen Entourage war, zu der auch ihr Bruder zählte.

Kollegen beteten für Geri Allen

Vielleicht hat Geri Allen im Mai schon geahnt, dass ihr Auftritt in Neuburg ihr letzter Deutschlandbesuch gewesen sein könnte. Erst am Dienstag wurden auf Instagram und Facebook von besorgten prominenten Kollegen Fotos der Pianistin gepostet, die für Geri Allen beten wollten. Wenige Stunden später wurde über viele Kanäle vermeldet, dass die Musikerin in einem Krankenhaus in Philadelphia nur zwei Wochen nach ihrem 60. Geburtstag an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben ist. Mit Geri Allen verliert die Jazz-Gemeinde eine überragende Stilistin – sie muss zweifelsohne zu den bedeutenden Jazz-Pianisten des Nachkriegsjazz gezählt werden.

Video: Geri Allen und Band zusammen mit dem Stepptänzer Maurice Chestnut

"M-Base" - Frischer Wind aus Brooklyn

Für Furore sorgte Geri Allen spätestens, als sie Mitte der 80er Jahre als Mitglied der "M-Base"-Clique um Steve Coleman die Welt bereiste und mit ihren Kollegen frischen Wind in die Jazz-Szene brachte. Genau genommen war es ein Orkan, der da durch die Community fegte. Mit ganz neuen Konzepten und verwegenen rhythmischen Ideen mischte das Kollektiv alte Jazz-Gewohnheiten auf.

Kritiker und viele Zuhörer spürten damals schon, dass mit der "M-Base"-Stamm-Pianistin Geri Allen eine Musikerin in Erscheinung trat, die Einfluss haben würde auf die künftige Ästhetik des Klavierspiels im Jazz. Manch einer glaubte im Tun der in Pontiac, Michigan geborenen Frau gar das Missing Link zwischen Tradition und Avantgarde ausgemacht zu haben. Geri Allen war tief im Bop verwurzelt, aber sie besaß eben auch diesen Freiheitsdrang, diesen Anspruch, neue Ufer zu erreichen.

Gerri Allens Klavierspiel: Kantig, Sperrig, Elegant

Pianistin Geri Allen zusammen mit Journalist, Fotograf und Autor des Artikels Ssirus W. Pakzad | Bildquelle: Ssirus W. Pakzad Bildquelle: Ssirus W. Pakzad Sie konnte berührend zart und elegant spielen, verstörend schöne harmonische Verbindungen und eigentümlich changierende Arpeggien herbeizaubern. Aber es gab eben auch die andere Geri Allen, die pointierte, oft gegenläufige Rhythmen kreierte; die eruptive Pianistin, die dem Manual Saures gab, die schwere Cluster auf das Schwarzweiß fallen ließ und derart verkantete Intervalle in die Tastatur meißelte, dass man das erst einmal verdauen musste. Geri Allen entwickelte manchmal eine Wucht, die bei ihren Zuhörern Schnappatmung auslöste. Das Aufbrausende ihres Spiels hatte mit der Person Geri Allen wenig zu tun. Sie war eine liebenswürdige, zurückhaltende, bescheidene, eher introvertierte, stille, herzliche Frau.

Selbstzweifel - trotz Partnern wie Ron Carter und Jack DeJohnette

Ihr damaliger Ehemann, der Trompeter Wallace Roney, hat einmal erzählt, dass Geri Allen immer das Gefühl hatte, von ihren Idolen wie Herbie Hancock nicht ernst genommen zu werden. "Dabei hat mir Herbie immer gesagt, wie toll er sie findet. Aber sie wollte es nicht glauben", amüsierte sich Roney damals. Eigentlich hätte Geri Allen keinen Grund haben müssen, jemals an sich zu zweifeln. Schließlich hat sie mit einigen der größten Musiker ihrer Zeit gespielt, mit Ornette Coleman, Charles Lloyd, Woody Shaw, Clark Terry, Bobby Hutcherson, David Murray, Oliver Lake, James Newton, Dewey Redman und und und. Außerdem rissen sich einige der wichtigsten Rhythmusgespanne des Jazz darum, mit ihr musizieren zu dürfen. Es gab ein Trio mit Ron Carter und Tony Williams, eines mit Dave Holland und Jack DeJohnette und eine langlebige Zusammenarbeit mit Charlie Haden und Paul Motian.

Video: Geri Allen zusammen mit Bassistin Esperanza Spalding und Schlagzeugerin Terri Lyne Carrington

Großer Verlust

Wie sehr diese Geri Allen fehlen wird, der zuletzt die Leitung der "Jazz Studies" an der Universität Pittsburgh oblag, spürt man schnell, wenn man die sozialen Medien durchforstet. So viel Bestürzung, so viel Trauer, so viel Dankbarkeit für all das, was diese Frau geleistet hat, ist da zu lesen... Geri Allen, Rest in Peace.

Geri Allen auf BR-KLASSIK

BR-KLASSIK widmet der großen Pianistin die Jazztime am Montag, 03. Juli 2017 ab 23.05 Uhr
Und in der Sendung Classic Sounds in Jazz am 28. Juni 2017 ab 19.05 Uhr gibt es unter anderem Musik von Geri Allen

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