BR-KLASSIK

Inhalt

Fusion-Gitarrist Allan Holdsworth ist gestorben Ein Ausserirdischer verlässt die Erde

Von seinen Kollegen und Fans wurde er fast götzengleich verehrt – als Neuerer, als Pionier. Nun ist der britische Fusion-Gitarrist Allan Holdsworth im Alter von nur 70 Jahren unerwartet nahe San Diego gestorben.

Gitarrist Allan Holdsworth | Bildquelle: Rainer Merkel - dpa

Bildquelle: Rainer Merkel - dpa

Vielleicht muss man Autodidakt sein, um so etwas Unerhörtes zu entwickeln, etwas, das nichts, aber auch gar nichts mit herkömmlichen Prinzipien, Regeln, Methoden zu tun hatte, etwas, das nie zuvor in Lehrbüchern zu finden war - spätestens aber seit seinem Erscheinen dort hinein gehörte.  

Vielleicht braucht man auch ein Genie-Gen und bratpfannengroße Hände mit verdammt beweglichen, gelenkigen, spreizbaren Fingern, um das zu tun, was Allan Holdsworth tat. Der Brite, der zunächst Piano, dann Geige lernte und erst mit 17 auf sein Hauptinstrument umstieg, war ein Phänomen. Er revolutionierte das Gitarrenspiel. Holdsworth konnte über etliche Bünde greifen und somit bislang nie gehörte, erweiterte Akkorde und frappierende Harmoniefolgen entwickeln. Wenn er dann mit diesem singenden, durchdringenden Ton zum Solo ansetzte, degradierte er die Schallgeschwindigkeit zum müden Trab, spielte - ohne sich zu wiederholen - über viele Minuten diese verwirrend-flirrenden Legato-Linien, die bei aller Abstraktion einer inneren Logik zu gehorchen schienen und dabei nie das Melos vernachlässigten. Er habe sich von Saxofonisten für sein Spiel inspirieren lassen, bekannte Holdsworth.

Wenn Clapton Gott war, was war dann Holdsworth?

Was Allan Holdsworth zustande brachte, hatte fast außerirdische Qualitäten. Wenn Clapton Gott gewesen sein soll, wie dessen Fans einst an Häuserwände schmierten, was war dann Holdsworth?  

Anfangs ließ die Sensation noch etwas auf sich warten. Der am 6. August 1946 in Bradford, Yorkshire geborene Allan Holdsworth erspielte sich in der englischen Heimat mit Bands wie "Ian Carr´s Nucleus", "Jon Hiseman´s Tempest" oder bei "Soft Machine" zwar erste Achtungserfolge - aber da war noch nicht abzusehen, dass er die Gitarristen-Gemeinde bald in einen Schockzustand versetzen würde. Und nicht nur die. Bleibt nur die Frage, was den Leistungssprung verursachte, der bei  Holdsworth in den 70er Jahren einsetzte.

Gitarrist Allan Holdsworth | Bildquelle: Rainer Merkel - dpa Bildquelle: Rainer Merkel - dpa Den Autor dieses Nachrufs hat es kalt erwischt, als er beim Aufräumen seines Jugendzimmers 1975 dieses Stück der "New Tony Williams Lifetime" im Radio hörte: "Fred". Erst das unglaubliche Thema, dann dieses Gitarren-Solo, das ihn zur Salzsäule erstarren ließ und ihn unheilbar mit dem Jazz-Virus infizierte. Danke, Allan Holdsworth.

Der verdutzte fortan immer mehr Musikliebhaber, als er in Bands wie "Gong", "UK" und "Bruford", oder an der Seite des Geigers Jean-Luc Ponty an seiner Legende arbeitete, ehe er sich auf seine Solo-Karriere zu konzentrieren begann.

Selbst Konservative bewunderten den Revolutionär

Erstaunlich ist, dass Allan Holdsworth selbst konservative Musiker wie den Gitarristen Joe Pass für sich einzunehmen vermochte, neben ungezählten anderen, eher progressiv orientierten Größen aus Rock und Jazz. Selbst die ausgeschlafensten, versiertesten unter Ihnen haben nie ganz erfasst, was ihr Idol da auf der Gitarre eigentlich trieb. John McLaughlin sagte einst: "Wenn ich könnte, würde ich dauernd von ihm klauen. Nur habe ich keine Ahnung, wie er all diese verrückten Sachen hinbekommt, die er da anstellt."

Neben dem Gitarrespielen war Radfahren die große Leidenschaft des Allan Holdsworth. Und Bier. Sein Studio nahe San Diego hieß nicht umsonst "The Brewery". Auch hielt Holdsworth, der gerade an einem neuen Solo-Album arbeitete, das Patent auf eine Bierzapfvorrichtung. Das aber scheint ihm nicht genug eingebracht zu haben, denn soeben wurde für seine Kinder ein Spendenkonto eingerichtet – damit sie seine Beerdigung bezahlen können. Ruhe in Frieden, Allan Holdsworth.

  Radio-Tipp:

Ein ausführlicher Nachruf auf Allan Holdsworth wird in der radioJazznacht am 20. Mai, auf Bayern 2 ab 00.05 Uhr gesendet. Darüber hinaus gibt es neue Aufnahmen von Kevin Eubanks, Mary Halvorson, Brandon Ross, David Gilmore oder Samo Salamon.

    AV-Player