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Saisoneröffnung Scala Verdis "Giovanna d'Arco" ganz nach Mailänder Geschmack

Wie jedes Jahr am 7. Dezember eröffnete die Mailänder Scala ihre neue Saison, dieses Mal mit Verdis "Giovanna d'Arco" unter der Leitung des neuen Chefdirigenten Riccardo Chailly und Anna Netrebko in der Titelrolle. Das belgische Duo Moshe Leiser und Patrice Caurier inszenierte das Stück, das 150 Jahre lang nicht mehr in Mailand gespielt wurde.

Szenenbild "Giovanna d'Arco" | Bildquelle: Teatro alla Scala

Bildquelle: Teatro alla Scala

Verdis Johanna von Orleans orientiert sich zwar an der romantischen Figur aus Schillers Drama, aber die handelnden Personen und das Geschehen in der Oper sind drastisch reduziert: musikalisch und szenisch relevant sind neben Johanna zwei Männer: Ihr Vater und der König Karl VII. Johannas göttliche Visionen haben in der Neuinszenierung von Patrice Caurier und Moshe Leiser einen klaren Grund: Dieses junge Mädchen ist psychisch krank und liegt deshalb schon zur Ouvertüre im weißen Nachthemd im Bett, umsorgt von ihrem  Vater. Doktor Freud lässt grüßen, wenn sich die kahlen weißen Wände des Gründerzeitzimmers plötzlich mit Videoprojektionen von mittelalterlichem Schlachtengetümmel rot färben und Johanna ihrem goldenen Fantasie- Ritter Francesco Meli als König Carlo begegnet. 

Lupenrein und mächtig tönend

Auch stimmlich mit Goldglanz versehen, lupenrein und strahlend meistert Meli seinen Part und erfüllt zusammen mit Anna Netrebkos dunkel und mächtig tönender Giovanna die sängerischen Voraussetzungen für einen umjubelten Verdi-Abend ganz nach Mailänder Geschmack.

Der junge italienische Bariton Devid Cecconi musste kurzfristig für Carlos Alvarez in der Rolle des Vaters Giacomo einspringen und war entsprechend gehemmt, aber er wurde, wie von Intendant Alexander Pereira in der Ansprache gewünscht, durch Wohlwollen des gespannten Publikums getragen.

Spannung bis zum Schluß

Riccardo Chailly holt alle Facetten aus diesem extremen Werk heraus und schafft mit dem Orchester der Scala einerseits martialisch-pathetische Momente mit dem großen Chor und der stimmgewaltigen Anna Netrebko. Aufhorchen in der einzigartigen Akustik des traditionsreichen Hauses lassen aber auch wunderbar durchsichtige Gesangspassagen zur Soloflöte, dem Cello, oder gar ganz a capella. Die Intonation ist perfekt, die Spannung bis zum Schluss groß. Diese Verdioper sollte häufiger auf dem Spielplan stehen!

Szenisch schwankt die Produktion zwischen Psychoanalyse und Märchenkitsch, liefert aber immer wieder erstaunliche optische Eindrücke entweder durche Étienne Guiols Videoprojektionen, oder durch das Bühnenbild von Christian Fénouillat. Der fabriziert im dritten Akt eine detailgetreue Kathedrale von Reims auf die Bühne. Die Kostüme von Agostino Cavalca sind absolut traditionell, aber Anna Netrebko kann auch das weiße Leibchen oder ein goldener Ritterpanzer nichts von ihrer überragenden Bühnenpräsenz nehmen. Auf sie und ihre Mitstreiter regnet es Goldflitter und Blumen am Ende dieser nicht nur für die Mailänder erfreulichen Eröffnungspremiere.   

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