Als eine der wenigen weiblichen Führungskräfte im Klassik-Business leitet Ilona Schmiel seit 2014 die Tonhalle-Gesellschaft Zürich – und ist damit für das traditionsreiche Tonhalle-Orchester verantwortlich. Zusammen mit Chefdirigent Paavo Järvi konnte sie Mitte September die grundsanierte historische Tonhalle nach vier Jahren Umbauzeit feierlich wiedereröffnen. Eine zielstrebige und selbstbewusste Klassik-Frau im Porträt.
Ins Kulturmanagement einzusteigen, stand erst gar nicht auf ihrem Lebensplan. Eigentlich wollte Ilona Schmiel, 1967 in Hannover geboren, ins künstlerische Fach. Sie studierte zunächst Gesang und Schulmusik. Doch das klappte nicht, sagt sie lachend: "Als für mich klar war, dass es mit der Bühne nichts werden würde, wollte ich aber auch nicht wirklich in die Schule. In dieser Krise hatte ich gemerkt, dass Organisieren anscheinend etwas ist, was ich besonders gut kann." Bestärkt durch andere, begann Schmiel, sich noch während ihres Studiums immer mehr in Management-Themen einzuarbeiten. "Als in Berlin die Mauer fiel, war ich eine der ersten, die an der Musikhochschule Hanns Eisler Kultur- und Medienmanagement belegt haben." Von dort aus ging der Weg dann schnurstracks weiter.
Was ich tue, tue ich mit viel Herzblut.
Nach Stationen bei den Donaueschinger Musiktagen, dem Olympischen Kulturfestival in Norwegen und der Arena di Verona wurde Ilona Schmiel künstlerische Leiterin des Bremer Konzerthauses "Die Glocke", anschließend Intendantin des Bonner Beethovenfestes. Die vielleicht wichtigsten Erfahrungen hat sie gemacht, als sie mit Originalproduktionen aus Verona auf Tournee ging, unterwegs mit 350 Mitarbeitenden. "Da lernen Sie Menschen kennen, und alle organisatorischen und logistischen Herausforderungen." Davon habe sie im Hinblick auf spätere Führungsfragen viel profitiert. "Diese Zeit hat mich außerdem gelehrt, den Respekt für alles, was auf, aber auch hinter der Bühne geschieht, niemals zu verlieren. Das hat mich für spätere Aufgaben gestählt."
Spricht man Ilona Schmiel auf das Thema Work-Life-Balance an, lacht sie und sagt, danach solle man sie lieber nicht fragen. "Ich würde es aber mal positiv formulieren: Was ich tue, tue ich mit so viel Herzblut, dass ich mir die Frage, wieviel an Arbeit hier dranhängt, einfach nicht stelle." Mit Ende der Pandemie hofft sie, dass wieder eine normalere Situation einkehrt – "dann ist es auch wieder okay mit meiner Work-Life-Balance." Schließlich habe sie einen Mann an ihrer Seite, der sie unterstützt und entlastet. Obwohl auch er Kulturmanager mit eigener Consulting-Agentur ist. "Wir sind zwei Menschen, die einander gut ergänzen – aber schon auch zwei Alphatiere, die sich sehr gut miteinander abstimmen müssen."
Networking ist für Ilona Schmiel in so einer Managerinnen-Position das A und O. Ihr Netzwerk hat sie in der Schweiz erstmal neu justieren bzw. ausbauen müssen. Mit einer Handvoll Intendantinnen wie zum Beispiel Andrea Zietzschmann von den Berliner Philharmonikern tauscht sie sich regelmäßig aus über vielversprechende Solistinnen und Dirigenten, über Stellenbesetzungen und Zukunftsfragen: Wie geht es weiter mit dem Konzertbetrieb? Zuletzt war natürlich der Umgang mit Corona ein zentrales Thema.
Dirigentinnen sind beim Tonhalle-Orchester derzeit noch rar, aber die unter Paavo Järvi neugeschaffene Assistant Conductor-Position ist bewusst weiblich besetzt. Im Orchester selbst lässt das Verhältnis von 60 Prozent Männern zu 40 Prozent Frauen noch Wünsche offen. Bei Neubesetzungen von Orchesterstellen eine Quote einzuführen, wäre für Schmiel jedoch "fatal". Da entscheide allein die Leistung. Etwas anders sieht sie das inzwischen, wenn es um Spitzenpositionen im Management und in Vorständen von Großunternehmen geht. Bei Ausschreibungen für die Verstärkung ihres eigenen Teams hält Schmiel jedenfalls gezielt Ausschau nach hochqualifizierten Bewerberinnen.
Manchen Frauen fehlt schlicht der Mut, sich ins Wasser zu stürzen und einfach schwimmen zu lernen in diesen Positionen.
Woran es dann liegt, dass es derzeit nur wenige Intendantinnen gibt, darüber könne man nur spekulieren, meint Ilona Schmiel. An der Ausbildung oder den Fähigkeiten läge es jedenfalls nicht. Natürlich müssten sie als Frauen in solchen Positionen auch auf weiblichen Nachwuchs achten und ihn fördern. Aber der wahre Grund sei ein anderer: "Manchen Frauen fehlt schlicht der Mut. Der Mut, sich ins Wasser zu stürzen und einfach schwimmen zu lernen in diesen Positionen." Das sei etwas, was sie auch als Mentorin immer wieder einfordere: "Geht auch in Positionen, wo ihr das Gefühl habt, sie sind vielleicht noch zwei Schuhnummern zu groß für euch – einfach machen! Ich kann einfach immer nur sagen: Mehr Mut, springt rein!"
Sendung: "KlassikPlus" am 4. November 2021 ab 19:05 Uhr auf BR-KLASSIK