Soeben hat Diana Damrau ihre CD "Grand Opéra" veröffentlicht - mit Opernarien von Giacomo Meyerbeer. Was reizt sie an diesem Komponisten? Im Interview spricht sie über ihr Verhältnis zu Meyerbeer sowie über die Freuden und Tücken des Aufnahmestudios.
Bildquelle: © Jürgen Frank
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Diana Damrau über ihre neue CD "Grand Opera"
BR-KLASSIK: Frau Damrau, der Name Giacomo Meyerbeer ist unter Klassikliebhabern zwar durchaus bekannt, aber er steht dann doch eher in der zweiten Reihe - hinter so großen Namen wie Mozart, Rossini oder auch Verdi. Auch in Ihrer Diskografie ist er nicht aufgetaucht - bis jetzt, denn auf Ihrer neuen CD "Grand Opéra" singen Sie ausschließlich Meyerbeer. Wie kam es dazu?
Diana Damrau: Das ist ein lang gehegter, alter Wunsch von mir. Daher habe ich mich auch so lange zurückgehalten Meyerbeer aufzunehmen. Als ich mich 2006 mit Alain Lanceron von Virgin Classics getroffen habe, um Aufnahmeprojekte zu besprechen, waren zwei Wünsche für mich von Anfang an klar - nämlich Mozart in Kopplung mit Salieri, und Meyerbeer. Reaktion: Schweigen. (lacht)
BR-KLASSIK: Wie reagiert eine Plattenfirma, wenn man sagt, man möchte Meyerbeer aufnehmen?
Diana Damrau: Nach diesem Schweigen mit einem breiten Grinsen und einem "Oh ja, das kann man machen". (lacht) So wurde "Arie di Bravura" mit Musik von Mozart und Salieri meine erste CD, und der Meyerbeer hat leider etwas auf sich warten lassen - genauer gesagt, zehn Jahre.
Meyerbeers Musik bietet eine sehr große Bandbreite.
BR-KLASSIK: Was genau fasziniert Sie an Meyerbeers Musik?
Diana Damrau: Ich durfte während des Studiums mit dem Uni-Orchester eine Arie aus Meyerbeers Kantate "Gli amori di Teolinda" singen. Es ist eine regelrechte Bravour-Arie mit Solo-Klarinette, was vollkommen wahnsinnig ist. Danach habe ich mich dann eingehend mit Meyerbeer beschäftigt, und festgestellt, dass er sowohl auf Italienisch komponierte, wie in der erwähnten Kantate, als auch auf Französisch und Deutsch. Das sind dann im Grunde drei verschiedene Komponisten.
BR-KLASSIK: Und welche dieser drei Sprachen fällt Ihnen als Sängerin bei Meyerbeer am leichtesten?
Giacomo Meyerbeer | Bildquelle: picture-alliance/dpa Diana Damrau: Es sind halt drei verschiedene Stile. Die deutschen Arien sind für einen großen lyrisch-dramatischen Sopran komponiert. Ich habe zwei Stück ausgesucht: Die eine hat gewisse Ähnlichkeiten mit der Musik Carl Maria von Webers - etwa der Partie der Agathe aus dem "Freischütz", die andere ist in einer wesentlich höheren Tonlage komponiert und erinnert ein wenig an Mozarts "Zaide". Im Italienischen geht es eher in Richtung Bravourarie mit großem Ausdruck. Und dann natürlich die französischen Arien: Die sind luftig, wie fliegende Blütenblätter, aber auch saftig und blutdurchdrungen. Meyerbeer bietet also wirklich eine sehr große Bandbreite.
Mit jeder Wiederholung kommen neue Farben hinzu.
BR-KLASSIK: Jetzt haben Sie so geschwärmt von dieser emotionalen Musik. Bei der CD handelt es sich um Studioaufnahmen, und das ist ja etwas völlig anderes, als wenn man auf der Bühne steht - ziemlich nüchtern im Grunde. Statt eines gespannten, mitfiebernden Publikums sitzen Tonmeister mit gespitzten Ohren hinter Glasscheiben …
Diana Damrau: Ja, aber eben auch erwartungsvolle Musiker im Orchester und ein inspirierter Dirigent am Pult. Alle entdecken in diesen Stücken immer wieder Neues, und mit jeder Wiederholung kommen neue Farben hinzu.
BR-KLASSIK: Das klingt so, als ob Sie es gerne mögen, im Studio zu arbeiten…
Diana Damrau: Auf jeden Fall!
Im Studio kann man sich auf die Sprache konzentrieren.
BR-KLASSIK: Wodurch genau unterscheidet sich denn die intensive Arbeit im Studio von den Proben auf der Bühne, die auf eine singuläre Aufführung hinzielen?
"Grand Opéra" - das Cover von Diana Damraus Meyerbeer-CD | Bildquelle: Erato Diana Damrau: Natürlich ist es auf der Bühne immer ein einmaliger Schuss, und der trifft oder eben nicht. Was an der Studioarbeit so wunderbar ist: Man kann sich auf die Sprache konzentrieren, ist nicht gezwungen, hin- und her zu laufen und dabei auf die Positionierung der Stimme zu achten. Man weiß: Alles, was rauskommt, wird auch eingefangen. Und es ist auch oft so, dass man im Studio plötzlich ganz neue Momente entdeckt - selbst in einer Musik, die man schon oft gesungen hat. Und aufgrund der Zeit, die man im Studio hat, kann man auch viel enger zusammenarbeiten - zum Beispiel mit dem Dirigenten.
BR-KLASSIK: Nervt es nicht, wenn im Kontrollraum ständig Kritik an einzelnen Takten kommt - oder gar an einem einzelnen Ton?
Diana Damrau: Ich bin ja selbst genauso gründlich! Dafür hat man eben im Studio die Möglichkeit, diesen einen kleinen Ton ein wenig zu frisieren, damit die Phrase, zu der er gehört, perfekt wird. Aber letztlich geht natürlich nichts über das Live-Erlebnis. Wer einmal im Konzert oder in der Oper war und wirklich erfährt, wie der Klang eines Orchesters oder einer Stimme einen treffen kann, und zwar mitten ins Herz … Dagegen werfe ich alle Aufnahmen weg!
Die Fragen stellte Kathrin Hasselbeck für BR-KLASSIK.
Sendung: "Leporello" am 29. Mai 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK