BR-KLASSIK

Erstmals treffen die Mezzosopranistin Angelika Kirchschlager und die Schauspielerin Marianne Sägebrecht bei einem gemeinsamen Projekt aufeinander: Mit dem musikalisch-literarischen Programm "Calling you" waren die beiden Künstlerinnen am Dienstag in der Reithalle in München zu Gast. Warum sich die beiden wie in einer guten Partnerschaft fühlen, und was es mit dem Titel "Calling You" auf sich hat - das verraten sie im Interview mit BR-KLASSIK.

BR-KLASSIK: Angelika Kirchschlager, Marianne Sägebrecht – wie haben Sie sich für dieses Programm zusammengefunden, wie wurden Sie verkuppelt und wie finden Sie sich mittlerweile? 

Angelika Kirchschlager: Wir wurden tatsächlich verkuppelt, von Thomas Kahry, der dieses Stück geschrieben hat, und das wir jetzt gemeinsam aufführen. Ich kenne ihn schon viele Jahre, wir arbeiten zusammen. Er hatte die Idee, dass Marianne und ich ganz gut zusammenpassen könnten.

Marianne Sägebrecht: Die erste Idee liegt schon Jahre zurück, da wollte er uns in Berlin zusammen auf die Bühne bringen. Er hat mich damals nicht gefunden und nicht erreicht. Wir haben das Programm, das nun entstanden ist, dann in Wien zusammen auf die Welt gebracht - mit großem Erfolg. Es geht um zwei starke Frauen, die aus verschiedenen Dimensionen kommen und sich dann auf einer Bühne austauschen.

Immer neue Blickwinkel

BR-KLASSIK: Jemand hat also eine Idee und denkt sich: Die beiden kenne ich, und das könnte klappen. Wenn man ein solches Programm macht und auf die Bühne geht, kann man vielleicht trotzdem noch ganz neue Facetten entdecken. Oder man sagt: "Ich hatte gar nicht gedacht, dass sie so ist“. Sie haben sich also bestimmt noch besser kennengelernt.

Angelika Kirchschlager: Wenn man sich gemeinsam auf einen solchen Weg begibt, wenn Worte und Musik im Spiel sind, sieht man den Menschen, mit dem man auf der Bühne ist, immer aus neuen Blickwinkeln. Wir haben uns in wenigen Tagen schneller und besser kennengelernt als andere, die monatelang zusammenleben. Das ist wie im Zeitraffer.

BR-KLASSIK: Wir von außen, wir verbinden etwas mit dem Namen und der Person Marianne Sägebrecht wie auch mit der Person Angelika Kirchschlager. Sie sind beide Powerfrauen, Sie sind beide Frauen mit einer gewissen Portion Eigensinn. Aber es kann auch eine Gefahr darin liegen, dass irgendwann vielleicht zu viel Energie zusammenkommt.

Angelika Kirchschlager: Ich finde es spannend, dass Sie das fragen. Ich musste noch nicht darüber nachdenken, weil ich mich nie behindert oder überrumpelt gefühlt habe. Aber das liegt sicher daran, dass wir beide Respekt voreinander haben.

Marianne Sägebrecht: Das ist auch gegenseitiger Mutterschutz. Es ist wirklich so! Wenn der Andere kommt, dann ist Raum da. Ich höre Angelika wahnsinnig gern zu. Meine Seele flimmert und mein Herz-Chakra ist ganz offen.

Wie in einer guten Partnerschaft

Marianne Sägebrecht und Angelika Kirchschlager | Bildquelle: © Thomas Kahry Angelika Kirchschlager: Wenn beide so funktionieren, ist das wie in einer guten Partnerschaft. Es gehören immer zwei dazu. Wir nehmen uns prinzipiell beide nicht so wichtig. Wir sind auch nicht besonders eitel. Und wenn man in seiner Persönlichkeit aufgrund dieser Eigenschaften den Raum findet, dann ist lustigerweise Raum für alle da. Es entsteht eine Energie, die die eigentliche Power ist. Ob wir dann den Text oder die Musik vortragen, ist nebensächlich. Das ist nur ein Vehikel, um diese Botschaft rüberzubringen. Und das funktioniert eben so gut.



Marianne Sägebrecht: Ich nenne das die Hochzeit von Kanaa. Wenn alles so funktioniert und die Menschen auch mit eingebunden sind, ist man am Ende miteinander vermählt.

Vom Wienerlied bis zur Habanera

BR-KLASSIK: Der Abend heißt "Calling you“. Ich vermute, er ist in gewisser Weise sehr persönlich, vielleicht sogar ein wenig biografisch.

Marianne Sägebrecht: "Calling you“ ist das berühmte Lied aus unserem Film "Out of Rosenheim“. Im Film gibt es zum Beispiel diese zwei Personen, Brenda und Jasmin Münchgstettner, die aus zwei verschiedenen Hemisphären kommen, sich begegnen und anfreunden. Dieses Lied ist entstanden für das Gefühl, wenn man alleine ist und kein Freund mehr da ist, der einen spiegeln kann. Man soll so laut rufen wie man kann, mit dem Herzen - und dann bekommt man Antwort. Das kommt aus dem "I Ging“, einem chinesischen Orakel. Man bekommt Antwort, auch wenn es sich auf der anderen Seite der Welt befindet. Wenn Angelika das singt, bekomme ich Gänsehaut, wenn ich nur daran denke.

Angelika Kirchschlager: Die Musik wurde danach ausgewählt, wie sie thematisch zu den Texten passt. Die Texte sind auch biografisch, auch in dem Sinne, dass man sagt, das passiert anderen Menschen auch. Wir haben das Programm nicht musikhistorisch gegliedert. Es fängt mit einem Wienerlied an und geht bis zur Habanera. Es gibt Musik von Kurt Weill, aber auch Musicals. Es gibt alles Mögliche, weil es einfach dazu passt. Das ist auch mein Credo: Wenn es passt, darf es auch ein wenig anders sein.

Das Gespräch führte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.