Die Musik des Komponisten Miroslav Srnka zieht sich wie ein roter Faden durch das diesjährige DIALOGE Festival in Salzburg. Im Interview erzählt er, was der Erfolg seiner Oper "South Pole" für ihn bedeutete, wie sich nach diesem Werk seine Arbeitsweise veränderte und was ihn so sehr an dem Film "My Life Without Me" fasziniert. Seine Vertonung dieses Films erklingt in Salzburg zur Festivaleröffnung.
Bildquelle: © Vojtěch Havlík
Das Interview zum Anhören
BR-KLASSIK: Herr Srnka, wir schauen mal kurz zurück. Anfang 2016 wurde ihre Oper "South Pole" in Starbesetzung an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt. Es gab, wie immer, natürlich auch kritische Stimmen. Aber insgesamt hat Sie das total nach oben katapultiert: Jeder wollte sie interviewen, Sie standen plötzlich absolut im Fokus. Was hat überwogen: die Freude über diesen Zustand oder eher so etwas wie Überforderung?
Miroslav Srnka: Das ist eine sehr gute Frage. Wir Komponisten, die nicht zugleich auch als ausführende Musiker oder Dirigenten arbeiten, sind oft eher private Menschen, würde ich sagen. Und natürlich habe ich gesehen, dass Stars wie Rolando Villazón mit der Menge von Infos und Feedback eigentlich viel besser arbeiten als ich. Andererseits war das ein absolut fantastisches Erlebnis, und es hat mein Leben als Komponist total verändert.
Ich muss auch Sachen ablehnen, und das tut weh.
BR-KLASSIK: Inwiefern hat das ihr Leben verändert?
Miroslav Srnka: Ich kann machen, was ich will (lacht). Nein, das ist nicht die richtige Antwort. Ich habe einen vollen Kalender, wenn ich das so sagen darf. Ich muss auch Sachen ablehnen, und das tut weh, weil das oft sehr interessante Menschen sind. Aber zugleich gibt einem das eine große Freiheit, und die Freiheit ist das Allerwichtigste, weil man das machen kann, was man gerade für wichtig hält.
Ich habe nach 'South Pole' meine Schreibweise komplett geändert.
BR-KLASSIK: Also insgesamt ein sehr positiver Effekt. Aber ich stelle mir das auch so vor: Wenn man so einen guten und großen Wurf gelandet hat, dann erhöht sich ja auch der Druck, wenn man sich dann wieder ans Arbeiten macht.
Miroslav Srnka | Bildquelle: © Vojtěch Havlík Miroslav Srnka: Das ist eine sehr gute Frage. Ich habe das komischerweise irgendwie im Vorfeld geahnt, dass ich mich sowieso nach diesem großen Werk - egal wie das jetzt endet, ob katastrophal oder fantastisch - irgendwie neu definieren muss. Und daran habe ich jetzt die anderthalb Jahre auch wirklich streng gearbeitet. Und ich habe meine Schreibweise komplett geändert. Ich habe die nächsten Stücke ganz anders skizziert, habe angefangen, digital auf einem Bildschirm zu schreiben, wie ich das davor nicht gemacht hatte. Diese Arbeitsweisen zu verändern und neu zu definieren: Das hat total Spaß gemacht.
BR-KLASSIK: Wenn Sie sagen, Ihre Arbeitsweise habe sich verändert: Wie hat sich denn dann der Klang verändert, wie klingt denn der neu definierte Miroslav Srnka?
Miroslav Srnka: Das weiß man noch nicht, denn das erste Werk, das so entstanden ist, kommt erst jetzt im Januar in Paris heraus: das neue Streichquartett. Ich arbeite immer in solchen - ich sage mal - Trauben von Werken, wo ich immer etwas anfange zu testen und es wächst dann von kleinen Kompositionen in immer größere und größere. Und dann muss ich das irgendwie abschneiden. Da war natürlich der Schnitt nach "South Pole", meiner umfangreichsten Partitur, der größte. Jetzt habe ich wieder neu angefangen mit einem kleinen Stück, und zwar mit einem Streichquartett. Es ist immer ein Neustart für mich.
BR-KLASSIK: Etwas völlig anderes ist auch Ihr Monodrama "My Life Without Me" - ein etwas älteres Werk; 2008 war die Uraufführung. Das ist eine kleiner besetzte Komposition, inspiriert von einem Film gleichen Titels. Worum geht es denn da?
Miroslav Srnka: Es ist eine sehr traurige Geschichte über eine Frau - eine junge, unintellektuelle Putzfrau, die feststellt, dass sie krank ist und nur noch ein paar Monate zu leben hat. Und sie überlegt sich jetzt nicht unbedingt, was sie in den letzten Monaten ihres Lebens machen will, sondern stattdessen, wie das Leben ihrer Familie weitergehen soll, wenn sie nicht mehr da sein wird.
BR-KLASSIK: Aber Sie selbst hat ja auch eine Affäre...
Miroslav Srnka: Ja, sie hat da zwei Punkte, die sie innerhalb ihres Plans selbst betreffen. Der eine ist: Sie muss sich noch einen anderen Mann suchen, und der andere: Sie muss noch etwas mit ihrem Haarschnitt machen. Und ich liebe in diesem Film von Isabelle Coixet besonders diese Mischung aus einerseits existenziellen Themen und andererseits einem vollständig frischen Zugriff auf einem Menschen, der sich wahrscheinlich mit diesen tiefgründigen philosophischen Gedanken über Tod und dergleichen nie befasst hat und trotzdem jetzt damit konfrontiert ist. Ich finde da etwas sehr Erfrischendes und für die Musik emotional sehr Tragendes.
Die Fragen stellte Kristin Amme für BR-KLASSIK.
Beim DIALOGE-Festival 2017 für zeitgenössische Musik, das vom 30. November 2017 bis 3. Dezember 2017 in Salzburg stattfindet, bildet Miroslav Srnkas Musik dieses Jahr den musikalischen Mittelpunkt.
Er hat die DIALOGE kuratiert. Seine Stücke treffen dort auf andere zeitgenössische Kompositionen, Elektronisches und Klassik - aber auch auf Kabarett und Kino.
Sendung: "Leporello" am 28. November 2017 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK