BR-KLASSIK

Inhalt

Komponist Miroslav Srnka im Gespräch "Nicht nur Tragödie"

Im Januar wird die Oper "South Pole" an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt. Im Mittelpunkt steht der Wettstreit von Amundsen und Scott um die Ehre, als Erster am Südpol zu sein. Die Musik schrieb Miroslav Srnka.

Komponist Miroslav Srnka in dem Kostüm seiner "Southpole" Oper an der Münchner Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl

Bildquelle: © Wilfried Hösl

BR-KLASSIK: Miroslav Srnka, die erste Südpol-Expedition mit Amundsen und Scott und ihrem Wettstreit, bei dem einer gewinnt und der andere stirbt, ist ja eigentlich ein klassischer Opernstoff. Können Sie sich erklären, warum Sie der Erste sind, der darüber tatsächlich eine Oper komponiert?

Miroslav Srnka: Nein, und ich habe mir diese Frage auch nicht gestellt. Wir haben die Geschichte in zwei simultane Bühnenabfolgen getrennt und erzählen eigentlich zweimal die gleiche Geschichte, die auf zwei Teams verteilt ist und unter den gleichen Voraussetzungen startet. Durch eine Kette unterschiedlicher Entscheidungen der Menschen auf diesem Weg kommt es einmal zum Scheitern und einem zum Gewinn. Und das sehen wir kontinuierlich parallel.

BR-KLASSIK: Auf der Probebühne konnte man sehen, dass es auch visuell eine Art Barriere geben wird und die beiden Teams parallel auf der Bühne sind. Aber wir können ja nicht zwei Opern gleichzeitig hören. Was müssen Sie für Musik schreiben, um dieses parallele Geschehen transparent zu machen?

Obwohl die Expeditionsteams sich nicht treffen, ist das jeweils andere Team immer ein absolut wichtiges Motivationsmittel.
Miroslav Srnka

Miroslav Srnka: Die Trennung ist eine symbolische. Obwohl die Teams sich nicht treffen, ist das jeweils andere Team immer ein absolut wichtiges Motivationsmittel. Die Ahnung davon, was auf der anderen Seite der Bühne eigentlich stattfinden sollte oder könnte, ist eine sehr wichtige Austauschmotivation zwischen den beiden. Und man kann ja visuell auf die eine oder andere Seite fokussieren. Beim Komponieren habe ich mehrere Möglichkeiten gewählt. Von einer Mehrschichtigkeit, die parallel erklingt, weil unser Gehör diese wunderbare Möglichkeit hat, parallele Schichten im Hirn zu trennen. Auf der ganzen zweiten Seite ist dann die Möglichkeit eine sensuell ambivalente Musik zu schreiben, die in sich die beiden gewünschten Ausdrücke potenziell beinhaltet.

BR-KLASSIK: Sie sehen ein riesengroßes Orchester vor und splitten nicht nur die Bläser, sondern auch die Streicher intern auf. Wenn man über so ein gewaltiges Orchester verfügt, kann man entweder ganz viel Krach machen oder man kann differenzierte Instrumentation benutzen, wie Strauss es auch getan hat. Wie wird denn der Südpol klingen?

Miroslav Srnka: Das Orchester ist zwar riesig, aber die Menge heißt noch nicht die Lautstärke. Was mich daran viel mehr interessiert, sind gerade die unglaublichen Möglichkeiten zu differenzieren. Vor allem, weil die Streicher eigentlich fast solistisch behandelt werden, das heißt, dass mir eine riesige Wolke von Streicherklang zur Verfügung steht. Was mich auch noch an einem großen Orchester interessiert, ist die Möglichkeit mehrerer homogener Gruppen. Eine ziemlich homogen behandelte Gruppe ist auch die von den Schlagzeugern, Harfe und einem vierhändigem Klavier. Das ist auch nicht gerade "straussig", ein vierhändiges Klavier im Orchester. Vor allem gibt es zwei große Gruppen von sechs bzw. acht Hörnern und Klarinetten, die aber wie homogene Körper behandelt werden, so wie ein multipliziertes Instrument. Anders als bei Strauss, der die Instrumente aus ganz unterschiedlichen Klarinettenfamilien genommen hat.

BR-KLASSIK: Das Team auf der Bühne um Scott, um Rolando Villazón, sind Tenöre. Das Team um Amundsen, um Thomas Hampson, sind Baritone. Wie sind Sie auf diese Stimmfach-Unterschiede gekommen?

Für die Norweger um Amundsen habe ich Baritone genommen, als Zeichen für eine sehr solide physische Ausstattung.
Miroslav Srnka

Miroslav Srnka: Das hat eigentlich historische Gründe. Das britische Team um Scott war eigentlich eher ein Team, das von einer Gesellschaft geschickt wurde. Von einem Reich sozusagen, das seine Größe erweisen wollte. Und die Teilnehmer der britischen Expedition waren also, sag ich mal, von einem höheren gesellschaftlichen Stand. Wogegen die Norweger mehr praktische Erfahrung mit Skifahren, Bergen etc. hatten. Ich habe deswegen Baritone genommen, als Zeichen für eine solide männliche Stimme und auch für eine sehr solide physische Ausstattung.

BR-KLASSIK: Also so ein James Bond: "Für die Nation" gegen die Wikinger, die immer standfest sind?

Miroslav Srnka: Ja, wenn Sie das so sagen. Wir versuchen auch, die ganze Geschichte auf eine leichtere Art zu nehmen. Das heißt nicht, dass sie eine Komödie wird, aber die ganze Tragödie oder dieses Heroische, dass wir so kennen, ist eigentlich ein gewisser Stempel auf eine Geschichte. Woran sich die meisten Männer eigentlich erinnern, ist eine sehr freundliche, abenteuerliche und am Anfang gleich leichtsinnige Erfahrung. Und wir wollten deswegen auf der Bühne nicht nur diese Tragödie zeigen, sondern auch einfach den sportlichen Spaß.

BR-KLASSIK: Auf der Klimakonferenz in Paris haben Politiker gerade versucht, die Welt zu retten und den Klimawandel aufzuhalten. Ein Anfang ist hoffentlich in irgendeiner Art und Weise gemacht. Diese Expedition in die Welt hinaus beschäftigte sich natürlich auch schon vor 100 Jahren genau damit. Ist die Oper in erster Linie eine poetische, oder auch humanitäre und irgendwo politische?

Miroslav Srnka: Ich würde wieder beides sagen. Tom Holloway, der Librettist, und ich verstehen das auch so. Aber es ist nicht notwendigerweise so, dass die Oper ausgedeutet werden muss. Wir können uns vorstellen, dass die Oper als eine Gender-Message, eine politische Message oder als eine Klima-Message dargestellt werden kann. Das bleibt alles der Regie offen.

Das Gespräch führte für BR-KLASSIK Annika Täuschel.

Linktipps zum Thema

"South Pole" an der Bayerischen Staatsoper
Abenteuer Antarktis: Die Expedition von Amundsen und Scott

Mehr zum Thema

    AV-Player