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Zukünftiger Stuttgarter Opern-Intendant "Ich habe ein bisschen Muffensausen"

Es ist seine erste Station als Intendant - und dann gleich in Stuttgart als Nachfolger von Jossi Wieler. BR-KLASSIK hat mit Viktor Schoner über seine Pläne und seine Lehrjahre bei Gerard Mortier und Nikolaus Bachler gesprochen.

Bildquelle: picture-alliance/dpa

BR-KLASSIK: Sie beginnen Ihre erste Intendanz an einem der Top-Opernhäuser in Deutschland in der Nachfolge von Klaus Zehelein und Jossi Wieler. Sind Sie ein wenig nervös?

Viktor Schoner: Tatsächlich habe ich ein bisschen Muffensausen. Aber das Umfeld, das mich erwartet, könnte besser nicht sein, um tatsächlich gute Arbeit leisten zu können. Jetzt ist es an uns, gute Ideen zu entwickeln und ein gutes Programm zu machen. Dann gehen wir frisch, fromm, fröhlich ans Werk.

BR-KLASSIK: Ihr Vorgänger, der im Moment noch amtierende Intendant Jossi Wieler, ist vielleicht noch wichtiger als Regisseur denn als Intendant. Sie selber inszenieren nicht. Wie gut tut das der Oper, wenn man "nur" managt?

Viktor Schoner: Ich glaube, man darf das nicht gegeneinander ausspielen. Jossi ist unbestritten ein wunderbarer Regisseur. Er schafft es, in Stuttgart als Künstler-Intendant eine Atmosphäre zu schaffen, die einzigartig ist. Oper ist ein so komplexes Genre, dass es für die Balance der verschiedenen Kräfte, die an einer Oper wirken, durchaus gut sein kann, wenn der Intendant eine Balance zwischen diesen Kräften schaffen kann und nicht selbst eine dieser Kräfte ist.

BR-KLASSIK: Sie haben in Paris, Salzburg und bei der Ruhrtriennale an der Seite von Gerard Mortier gearbeitet. Wieviel Mortier‘scher Geist steckt in Ihrem Tun?

Viktor Schoner: Es ist wahr, ich habe Gerard Mortier viel zu verdanken. Sieben lange Jahre habe ich tolle Sachen mit ihm gemacht. Ich will aber auch nicht die letzten acht Jahre an der Seite von Nikolaus Bachler unterschätzen. Was ich da lernen durfte, war mindestens genauso wichtig. Es war vielleicht weniger aufgeregt und weniger crazy. Der Theaterdirektor Nikolaus Bachler ist eine unglaublich gute Lernschule für die Mitarbeiter, weil er sehr viel Freiraum lässt, verantwortungsvoll arbeiten lässt und eher als Gesprächspartner zur Verfügung steht als Gerard Mortier, der etwas mehr seine Meinung durchzusetzen gewillt war. Trotzdem muss ich natürlich sagen, dass mein Berufseinstieg bei Gerard Mortier stattfand und dass wir sehr viele verschiedene Projekte gemeinsam durchstanden. Jetzt für Stuttgart habe ich vor allem in München gelernt, wie man ein Repertoire und den Ensemblegeist pflegen kann. Da war Nikolaus Bachler sicherlich ein wichtiger Lehrmeister.

BR-KLASSIK: Welche Produktionen aus den letzten Jahren würden Sie nennen, wo das exemplarisch deutlich wird?

Viktor Schoner: Naja, es ist immer gefährlich, wenn man da was sagt, aber Dmitri Tcherniakovs Arbeit an "Lulu" kann man schon als außerordentlich bezeichnen, wie auch seine "Dialogues des Carmélites". Krzysztof Warlikowskis "Frau ohne Schatten" bleibt mir ebenfalls als besonderer Abend in Erinnerung. Aber auch Calixto Bieitos Arbeiten an "Boris" (Godunow, Anm. d. Red.) und "Fidelio" waren keine einfachen Aufgaben. Wir haben sie aber gut gemeistert, finde ich. Auch mit Kirill Petrenko zu arbeiten ist wunderbar. Ich würde das nicht auf eine Produktion fixieren, sondern eher den Geist des Hauses in den Vordergrund stellen wollen.

BR-KLASSIK: Was sollte ein Opernhaus 2018 tun? Sie müssen sich ja ab jetzt Gedanken machen, um beim Publikum relevant zu sein oder zu bleiben.

Viktor Schoner: Wir müssen dafür sorgen, dass Oper nicht nur 2018, sondern auch 2028 und 2038 in der Gesellschaft eine Notwendigkeit vermittelt. Das sogenannte Kraftwerk der Gefühle ist ein Genre, das wie kein anderes die Komplexität unserer heutigen Zeit darstellen kann. Das Stuttgarter Publikum ist in seiner Neugierde und seiner Kenntnis legendär. Ich könnte mir keinen besseren Ort vorstellen, um auf die Suche zu gehen, die Oper auch für die Zukunft fit zu machen.

Das Gespräch führte für BR-KLASSIK Annika Täuschel .

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