Am 1. November startet ein neuer Disney-Film in den Kinos: "Der Nussknacker und die vier Reiche". Der Film vereint Elemente aus Tschaikowskys Ballett und dem zugrunde liegenden Märchen von E.T.A. Hoffmann. Den Soundtrack zum Film hat James Newton Howard komponiert - mit dabei sind Klassikstars Lang Lang und Gustavo Dudamel.
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BR-KLASSIK: Erinnern Sie sich an Ihren ersten Kontakt mit dem „Nussknacker“? War das im Ballett?
James Newton Howard: Ich bin eher in einem Arbeiterviertel aufgewachsen, wo ein Ballett-Besuch nicht zum Alltag gehörte. Die Musik aus dem Nussknacker war mir aber trotzdem schon sehr früh bekannt, der Tanz der Zuckerfee zum Beispiel. Die Musik wurde ja auch viel im Radio gespielt und in Filmen verwendet. Als ich das Ballett als junger Mann dann mal gesehen habe, war ich mit der Musik schon sehr vertraut.
BR-KLASSIK: Was war dann Ihr erster Gedanke, als man Sie gefragt hat, ob Sie die Musik zum neuen „Nussknacker“-Film schreiben würden?
James Newton Howard: Nun, diese Art von Filmmusik ist sehr ungewöhnlich, vielleicht sogar einzigartig. Es war eine große Ehre für mich, dass man mich gefragt hat, eine neue Musik für so ein großes Werk zu schreiben und die bestehenden Kompositionen neu zu arrangieren. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich das machen durfte, denn ich bin ein großer Tschaikowsky-Fan. Die zentrale Frage war, wieviel vom Original verwenden wir? Wo kann ich Tschaikowsky verwenden und wo muss ich selber Musik schreiben, um die Handlung zu unterstützen? Da muss man sehr behutsam sein und beides miteinander verschmelzen, sodass diese Szenen so wenig auffallen wie möglich.
BR-KLASSIK: Wieviel James Newton Howard steckt in dem Soundtrack und wieviel Tschaikowsky?
James Newton Howard: Ich hoffe, das enttäuscht jetzt niemanden, aber es sind wahrscheinlich 80 Prozent James Newton Howard und 20 Prozent Tschaikowsky. Ich versuche aber die Musiksprache vom Nussknacker über den gesamten Film lebendig zu halten, sodass es sich anhört wie Teile des Nussknackers, den die Leute bisher einfach noch nicht kannten.
BR-KLASSIK: Wie sind Sie an die Arbeit für diesen Nussknacker herangegangen?
James Newton Howard: Ich habe mir die Partituren besorgt und angefangen, mir die einzelnen Stücke darin herauszupicken und zu kategorisieren. Ich habe geschaut, was ich als Aktionsmusik nehmen kann, oder was mehr romantische Musik ist. Das war wichtig, um gut mit den Kompositionen arbeiten zu können, weil es so viel Musik ist. So habe ich angefangen.
BR-KLASSIK: Gibt es eine bestimmte Farbe, ein bestimmtes Element, was sie dem Score geben wollten?
Bildquelle: Disney James Newton Howard: Ich würde nicht sagen, dass ich Tschaikowsky eine Farbe hinzufügen musste. Ich musste aber Musik schreiben, die die Charaktere in der Geschichte unterstützt. Denn die Geschichte in dem Film unterscheidet sich sehr stark von Tschaikowskys Nussknacker. Ich meine, die ursprüngliche Geschichte ist ja sehr simpel: Ein Mädchen geht schlafen und in ihrem Traum wird die Welt um sie herum lebendig, alles tanzt und dann wacht sie wieder auf. Für einen großen Disney-Film wäre das nicht genug. Darum wurde eine neue Handlung entwickelt. Dafür musste ich neue Musik schreiben, um den Figuren eine musikalische Identität zu geben, sowohl durch Melodien, als auch durch das Timbre.
BR-KLASSIK: Lang Lang ist Klaviersolist auf dem Soundtrack. Ein weiterer Klassikstar, Gustavo Dudamel, dirigiert das Philharmonia Orchestra. Wie war die Zusammenarbeit?
James Newton Howard: Es war einfach unglaublich. Ich konnte gar nicht fassen, dass ich da im Studio mit Lang Lang und Gustavo Dudamel saß. Künstler auf dem Level sind einfach toll in der Zusammenarbeit. Sie haben keine Allüren, keine Arroganz. Sie haben sich dem Projekt mit genauso viel Hingabe gewidmet, wie sie es auch beim klassischen Repertoire machen. Ich war froh dabei sein zu können. Es war einfach wunderbar.
BR-KLASSIK: Was ist das Schwierigste an so einer großen Disney-Produktion für Sie als Filmkomponist?
James Newton Howard: Ich glaube jeder Komponist möchte als erstes den richtigen Klang des Films finden. Die Leute denken vielleicht, Filmkomponisten wie Hans Zimmer oder ich haben schon jede Art von Film gemacht – das stimmt aber nicht, denn jeder Film ist anders. Jeder Film hat eine eigene Seele. Ich stelle mir das immer wie einen verborgenen Klang vor, den man erstmal finden und herausarbeiten muss. Im Falle einer Disney-Produktion wird so eine Arbeit schnell zu einem Marathon. Ich saß insgesamt eineinhalb Jahre an dem Soundtrack, denn es gab immer wieder kleine Änderungen oder neue Szenen. Die große Herausforderung liegt darin, das Energielevel über einen so langen Zeitraum zu halten. Sodass man bei den letzten Aufnahmesessions noch die gleiche Leidenschaft hat, wie am Anfang des Projekts.