Vor ein paar Jahren zog sie sich komplett zurück. Alles war ihr zu viel geworden: die vielen Konzerte, das anstrengende Reiseleben. Doch Janine Jansen fand den Weg zurück auf die Bühne. Im Januar 2016 gastierte die Geigerin in München - mit dem zweiten Violinkonzert von Schostakowitsch.
Bildquelle: Decca / © Harald Hoffmann
Janine Jansen im Interview
"Man zweifelt - und das ist auch gut so."
BR-KLASSIK: Frau Jansen, das Zweite Violinkonzert von Schostakowitsch hat er für David Oistrach geschrieben. Er hat sich dabei seinen Ton, seine Art zu spielen vorgestellt. Wie sehr fühlen Sie sich daran gebunden? Muss man das so machen wie Oistrach?
Janine Jansen: Man möchte es einerseits ganz gerne so machen wie Oistrach. Aber wie macht man das? (lacht). Er bleibt ein fantastischer Geiger, ich liebe sein Spiel sehr. Aber diese Frage kann man sich auch für anderes Repertoire stellen. Es gibt so viele wunderschöne Aufnahmen und Interpretationen von Stücken. Man hört sich natürlich die Aufnahmen an - und lernt so viel dabei. Es ist immer gut, viele Einflüsse zu haben, aber schließlich muss man es auf seine eigene Art und Weise machen - mit eigener Stimme und eigenen Gefühlen. Sonst ist es nicht ehrlich und nicht überzeugend. Für mich ist das zweite Violinkonzert ein wunderbares Konzert, das ein bisschen im Schatten seines großen Bruders, des ersten Violinkonzerts steht.
BR-KLASSIK: Es ist viel philosophischer, ein bisschen zurückgenommener. Schostakowitsch war ja krank, als er es geschrieben hatte. Macht dieses Philosophische es für Sie schwerer oder leichter?
Janine Jansen: Das Zweite Violinkonzert ist viel kompakter und vielleicht auch schwieriger, sehr dunkel, auch sarkastisch. Vor allem den Spannungsbogen zu halten finde ich besonders herausfordernd. Ja, es ist komplizierter zu spielen.
BR-KLASSIK: Sie haben gerade mit Valery Gergiev eine neue Orchesteraufstellung ausprobiert, die Akustik in der Philharmonie im Gasteig ist ja nicht ganz leicht. Jetzt sitzen alle Musiker ganz weit hinten und die Kontrabässe ganz nah an der hinteren Wand. Die vordere Bühne ist komplett leer. Wie fühlt es sich an? Und klingt es besser?
Janine Jansen: Es klingt sehr angenehm, die freie Fläche vorne reflektiert den Klang besser - ich glaube, das war auch Gergievs Idee. Ich hoffe, es klingt auch gut. Heute Abend höre ich mir die zweite Hälfte vom Konzert an, dann können Sie mich noch mal fragen (lacht).
BR-KLASSIK: Frau Jansen, Sie hatten vor ein paar Jahren eine Krise, haben sich zurückgezogen. Sie haben gesagt, es waren viel zu viele Konzerte. Haben Sie jetzt Ihren Rhythmus gefunden? Ist es jetzt richtig, fühlt es sich gut an?
Janine Jansen: Wann ist es schon richtig? (lacht). Das ist eine ganz komplizierte Frage. Aber ich glaube, ich habe die Balance jetzt gefunden. Ich spiele ein bisschen weniger als vorher, aber immer noch ca. 80 Konzerte im Jahr – und das ist genug. Für mich ist es genug. Für jemand anders kann es anders sein: Für Gergiev z. B. wäre es wahrscheinlich viel zu wenig.
BR-KLASSIK: Wie viele Konzerte waren es vorher?
Janine Jansen: Vielleicht 120 bis 130. Mit Reisen ist es wirklich viel. Für mich war es nach sieben Jahren zu viel. Aber jetzt geht es mir gut und es gibt wieder andere Themen in meinem Leben. Man sucht immer nach etwas , auch in der Musik, und man zweifelt - und das ist auch gut so. Es sollte immer eine Suche sein.
12. Januar 2016
Philharmonie im Gasteig
Janine Jansen, Violine
Münchner Philharmoniker
Valery Gergiev, Dirigent
Programm:
Claude Debussy, "Prélude à ›L’Après-midi d’un Faune"
Dmitrij Schostakowitsch, Konzert für Violine und Orchester Nr. 2 cis-Moll op. 129
Hector Berlioz, "Épisode de la Vie d’un Artiste"