Zurzeit wird viel darüber diskutiert, wie gefährlich das gemeinschaftliche Singen in Hinblick auf die Ausbreitung des Coronavirus ist. Zwar sollen ab 15. Juni wieder Konzerte in Bayern stattfinden können, doch ob dann auch wieder Auftritte von Kinderchören geben kann, ist fraglich. Für Knaben- und Mädchenchöre ist die lange Probenpause besonders problematisch.
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Die Musikwelt steht gerade größtenteils still. Das betrifft auch Chöre – Chorsingen ist in Bayern derzeit nicht erlaubt. Besonders auf junge Sängerinnen und Sänger könnte die Corona-Pandemie aber besonders entscheidende Auswirkungen haben. Denn während Erwachsenenchöre weitgehend in ein paar Monaten am vorherigen musikalischen Level anknüpfen können, verändert das Älterwerden die Kinderchöre sehr stark.
"Schon in normalen Zeiten belegen die traditionsreichen Ensembles eine kleine, aber feine Nische innerhalb der Klassikbranche. Jetzt in der Krise zeigt sich deutlich, wie zerbrechlich dieses jahrhundertealte Kulturgut ist", schreiben die Knabenchöre aus Dresden, Augsburg, Regensburg, Bad Tölz und Windsbach in einer gemeinsamen Erklärung von Mitte Mai. Die Chöre befürchten, dass durch Stimmbruch und auch Schulabschlüsse nach der langen Probenpausen die Chöre nahezu vollständig neu wiederaufgebaut werden müssten.
Vielleicht kann die Mädchenkantorei bald wieder im Würzburger Dom singen. | Bildquelle: Markus Hauck Alexander Rüth, musikalischer Leiter der Mädchenkantorei am Würzburger Dom, sieht sich mit ähnlichen Problemen konfrontiert. "Wir haben gerade keine Möglichkeit des gemeinsamen Chorsingens", erklärt er. "Chorproben über Videokonferenzen funktionieren nicht." In Hinblick auf Lockerungen für Konzerte ab dem 15. Juni zeigt sich Rüth skeptisch: "Es wird schwierig, ein Konzert auf die Beine zu stellen. Vielleicht können wir vor den Sommerferien im Rahmen eines Gottesdienstes auftreten." Zwar seien die meisten Mitglieder schon "in den Startlöchern", doch man sei zum gemeinsamen Proben an die Sommerferien gebunden. Darum fürchtet Alexander Rüth, dass man nach den Ferien wieder bei null anfangen muss, denn "Stimmenmuskeln können bis dahin nicht richtig trainiert werden. Wir müssen erst wieder Aufbauarbeit leisten, bevor wir dann Konzerte spielen können."
Die Probleme sind besonders dort groß, wo man mit singenden Laien zusammenarbeitet.
Während die Digitalisierung sich in vielen Bereichen als hilfreich zur Bewältigung der Corona-Beschränkungen erwiesen hat, nutzen digitale Werkzeuge für Chorproben nur wenig. Das Problem ist dabei die Zeitverzögerung zwischen den Computern: Sie macht gemeinsames Muszieren unmöglich. Zumindest Einzelunterricht ist mit gewissem Abstand schon wieder möglich.
Chöre stehen gerade im Mittelpunkt mehrerer Untersuchungen. Die zentrale Frage ist: Wie überträgt sich das neuartige Corona-Virus beim Singen? Das ist bisher noch nicht eindeutig klar. Hinweise gibt es aber, etwa in Amsterdam, wo im März mehr als 100 Chormitglieder erkrankten und vier Menschen starben.
In einer ersten Studie der Universität der Bundeswehr wird ein Abstand von 1,5 Metern zwischen den Sängerinnen und Sänger empfohlen. Eine weitere Untersuchung führt derzeit die Universität München mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks durch: Dabei geht es darum wie sich große und auch kleine Tröpfen (Aerosole) aus der Atemluft im Raum verbreiten.
Sendung: "Allegro" am 26. Mai 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK