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Kritik – Uraufführung "Impresario Dotcom" in Bregenz Matter Opernneuling mit merkwürdiger Botschaft

Ein Triumph! Goldoni blitzgescheit aktualisiert, dazu eine tolle Regie und brillante Musik – die Komponistin eine Entdeckung! Diese Sätze würde man so gerne schreiben und den Bregenzer Festspielen, die sich heuer mit arg reduziertem Programm Bregenzer Festtage nennen, einen Coup testieren. Doch leider erweist sich das Auftragswerk "Impresario Dotcom" als ziemlich missglückte Angelegenheit.

Bildquelle: © Bregenzer Festspiele / Karl Forster

Das beginnt beim Libretto von Laura Olivi. Es ist inspiriert von Carlo Goldonis "Der Impresario von Smyrna" aus dem Jahr 1761. Ein Edelmann will eine Oper besetzen und schaltet dafür einen Mittler ein, die Interessenten legen sich virtuos ins Zeug, arbeiten mit allerlei Tricks für sich und gegen einander, wie am Schnürchen rattert die Possenmaschinerie. Bei Goldoni. Bei Olivi herrscht ab und an auch Wortwitz, doch muss vor allem der Impresario (in Bregenz die irgendwie zwischen den Geschlechtern und Sprachen herum huschende Schauspielerin und Tänzerin Zeynep Buyraç) schrecklich Banales und dann wieder verzopft Verkopftes von sich geben.

Die Inszenierung in Bildern

Strapazierendes Wimmelbild

Die slowakische Komponistin Ľubica Čekovská (Jahrgang 1975) liefert dazu unruhige Klänge mit häufigen Tempowechseln, aber in einer sich rasch erschöpfenden Grundstimmung. Hauptsache schnell von einer Klangfigur zur anderen scheint das Motto. Die zahlreichen Buhlereien sowie szenischen und vokalen Kunststückchen der um Rollen Werbenden laufen oft gleichzeitig ab, Regisseurin Elisabeth Stöppler zeigt das als Theater auf dem Theater, mit erst einer von hinten nach vorne wandernden Sesselreihe, Schnüren vom Schnürboden, Vorhang vor dem Vorhang. Die Personenführung ist präzise, aber Stöpplers einschlägiger Hang, niemanden mal wirklich in Ruhe zu lassen, sondern immer alle dauernd auf hohes Tempo zu schalten (man muss dafür wirklich den Begriff stöpplern einführen) bricht sich auch hier Bahn. So entsteht ein die Augen eher strapazierendes Wimmelbild, während die Ohren neben den redundanten Unruhetönen immer wieder sehr Bekanntes erkennen.

Aggressives Koloraturengewitter

Bildquelle: © Bregenzer Festspiele / Karl Forster Denn die heutigen Goldoni-Charaktere sind spezifischen Charakteren zugeordnet: man trifft auf den zauberflötigen Tamino (feines Timbre: Simeon Esper), die mal schön schmachtende, mal formvollendet hustende Traviata (Adriana Kučerova), den von Hagen Matzeit solide interpretierten Orfeo (musikalisch die besten Passagen: aus dem Graben tönt es flirrend ba-rockig und Christopher Ward macht seine Sache am Pult des Symphonieorchesters Vorarlberg überhaupt gut) – der Leier-Mann bläst dabei auch mal ins Horn und sehnt sich danach, Siegfried zu singen. Terezia Kružliaková zeigt uns eine wilde Carmen, Eva Bodorová brilliert als Offenbachs Olympia aus "Hoffmanns Erzählungen". Das Brillieren bezieht sich rein auf Bodorovás Technik, denn was die Komponistin hier versucht, ist mehr als problematisch: das Entfachen eines aggressiven Koloraturengewitters, mit dem sie Offenbach offenbar übertrumpfen will. Christoph Pohl überzeugt als Graf Lasca, ohne den die ganze Chose ja gar nicht stattfände ...

Mangel an klarer Dramaturgie

Es gibt ein paar durchaus schöne, intensive Momente, etwa, wenn sich Tamino und Carmen – in semivorteilhafte Bademäntel gekleidet – näherkommen. Oder wenn die Protagonisten ihre Sangeskünste unter Wasser beweisen müssen (das wird via Film dargestellt). Doch hapert es im Ganzen an einer klaren Dramaturgie, und zwar auf allen Ebenen. Völlig verschenkt wird das Thema "Künstlerschicksal in Corona-Zeiten", was ja naheläge. Am Ende verspricht der Impresario allen ein Engagement, verschwindet dann aber. Danach heißt es, wenn alle brav zusammenarbeiten, schenkt er ihnen ein Opernhaus nebst Orchester und sie dürfen sogar die Regieteams bestimmen. "Es lebe das Kollektiv!" lautet die finale Parole - und stracks sacken alle langsam zu Boden. Müde? Tot? Eine Parodie?

Bleibt zu erwähnen, dass "Impresario Dotcom" eigentlich als längere Version geplant war – und auf der Bühne im Corona-Abstand gespielt wird. Warum, bitteschön, gibt es in Salzburg "Elektra" und "Così fan tutte" ganz 'normal', in Bregenz jedoch einen Neunzigminüter auf Distanz?

Sendung: "Allegro" am 21. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK