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Kritik –"Elektra" bei den Salzburger Festspielen Endlich wieder Oper!

Es gab strenge Hygienekontrollen beim Auftakt der Salzburger Festspiele. Los ging es am Samstagnachmittag mit der mythischen Oper "Elektra" von Richard Strauss. Als Einakter ohne Pause ein ideales Corona-Format – und ein Volltreffer mit begeisternden Sängerinnen, der die Erwartungen noch übertraf.

Bildquelle: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig

Die Premierenkritik zum Anhören

Normal ist fast nichts – und das, was einigermaßen normal ist, wirkt heikel. Und trotzdem freue ich mich wahnsinnig: Nach fünf Monaten auf Entzug zum ersten Mal wieder Oper. Der eigene Name steht auf der Karte, mit Personalausweis wird beim Einlass die Identität überprüft. Alles muss rückverfolgbar sein. Die Maskenpflicht gilt bis zum Beginn der Aufführung, beim Applaus dann wieder: Maske auf. Natürlich Abstände im Publikum, ein Schachbrett-Muster von freien und besetzten Plätzen.

Bühnenszenen aus der Salzburger "Elektra"-Inszenierung

Keine Corona-Version

Aber wer aus Bayern kommt, wo sich zweihundert Menschen quasi in Rufweite in riesigen Sälen verlieren, staunt in der Felsenreitschule: 1000 Menschen ergeben ein durchaus kompaktes Publikum, das diesen Namen verdient. So findet Oper die Resonanz, die sie braucht, so knistert‘s im Saal. Endlich wieder Oper! Das ist beglückend, und so schlucke ich ein mulmiges Gefühl einfach runter. Die Hygiene-Maßnahmen sind aufwändig. Alle Künstlerinnen und Künstler werden regelmäßig getestet. Was man sieht, ist keine Corona-Version. Die Darstellerinnen gehen auf Tuchfühlung, berühren sich, interagieren. Und im Graben sitzt ein richtiges Elektra-Riesenorchester.

Kühle, beklemmende Atmosphäre

"Elektra" bei den Salzburger Festspielen 2020 | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig Ausrine Stundyte (Elektra) und Asmik Grigorian (Chrysothemis) | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig Streng ist die Bühne gestaltet in der Regie von Krzysztof Warlikowski: Ein schmaler langer Pool, rostige Duschen, ein dunkler Kubus, der plötzlich aufleuchtet und durchsichtig wird. Das ganze könnte ein Hotel sein oder ein Sanatorium. Kühl und beklemmend ist die Atmosphäre. Eine Leiche wird gewaschen, ein greiser Diener bewegt sich in Zeitlupe, Kinder planschen. Alle Generationen werden Zeuge des Dramas, der Fluch der Rache vererbt sich im Königshaus von Mykene. Warlikowski, der gern mit Zitaten aus der Filmgeschichte das Geschehen verrätselt, konzentriert sich diesmal ganz auf die Figuren im Zentrum. Drei Frauen: Klytämnestra und ihre beiden so unterschiedlichen Töchter Chrysothemis und Elektra.

Asmik Grigorian als Chrysothemis eine Idealbesetzung

Die Titelrolle ist nur eine von drei gleichberechtigten Figuren. Und das funktioniert sehr gut: Klytemnästra ist nervlich völlig fertig, sie wird von Albträumen heimgesucht, seit sie ihren Mann ermordet hat. Hier ist sie keine grotesk fauchende Alte, sondern eine widersprüchliche, aber starke Frau. Tanja Ariane Baumgartner singt sie grandios mit volltönender Tiefe und exzellenter Sprachverständlichkeit. Überragend gestaltet Salzburg-Star Asmik Grigorian die Chrysothemis. Ihre Höhe hat Kraft und Sicherheit, ihr Sopran leuchtet – eine Idealbesetzung. Sie ist es, die ihren Stiefvater ermordet – und wird so zur zweiten Hauptfigur aufgewertet.

Die Wiener Philharmoniker haben hörbar Spaß

"Elektra" bei den Salzburger Festspielen 2020 | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig Franz Welser Möst und die Wiener Philharmoniker im Graben der Felsenreitschule | Bildquelle: Salzburger Festspiele / Bernd Uhlig Währenddessen hat sich ein riesiger Fliegenschwarm der Bühne bemächtigt. Elektra hat auf diesen Moment der Rache seit Jahren hingefiebert. Doch nun stopft sie irgendwelche Pillen in sich rein und bewegt sich in krampfartigen Zuckungen. Ihr berühmter Tanz ist kein Triumph, sondern ein künstlicher Todesrausch als letzte Konsequenz eines Lebens, das außer Hass keinen Inhalt hatte. Ausrine Stundyte singt die Elektra höhensicher, aber mit etwas rauer Stimme – in der Titelrolle erreicht sie nicht ganz das Niveau ihrer Mitstreiterinnen. Exzellent die Orchesterleistung: Die Wiener Philharmoniker haben hörbar Spaß daran, endlich wieder zeigen zu können, was für ein virtuoses und klangverliebtes Orchester sie sind. Dirigent Franz Welser-Möst hält die Energien im Zaum, sorgt für Genauigkeit und Transparenz und lässt die Sänger gut durchkommen. Ein starkes Plädoyer: Richtige Oper ist live – und braucht ein Publikum, Unmittelbarkeit, Körperlichkeit. Künstlerisch ist das Konzept vorerst aufgegangen. Drei Kreuze, dass alles gut geht!

SALZBURGER FESTSPIELE AUF BR-KLASSIK ERLEBEN

BR-KLASSIK bringt die Salzburger Festspiele 2020 zu Ihnen nach Hause. Der runde Geburtstag "100 Jahre" wird mit einem Programmschwerpunkt im BR Fernsehen, im Radio und Onlineangebot von BR-KLASSIK gefeiert. Das vollständige Salzburg-Programm von BR-KLASSIK finden Sie hier.

Mehr Informationen zum Programm und Tickets auf der Website der Salzburger Festspiele.

Sendung: "Allegro" am 3. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Samstag, 15.August, 16:40 Uhr

Gufo

Elektra

Gemessen an der Länge des Beitrags ist die Auseinandersetzung mit den Stimmen , aber auch mit dem Orchester doch etwas kurz geraten. Es scheint schon Standard der modernen Kritiken zu sein, dass die Musik und ihre Interpreten nur noch die "zweite Geige " spielen. Thielemann hat dies in einem Interview einmal bitter beklagt. Wie recht er doch hatte.

Dienstag, 11.August, 01:13 Uhr

Gerda D.

Zur Kritik von Herrn Heuhoff

Inhaltliche Korrektur: Vater Agamemnon wird nicht von seiner Tochter Chrysothemis, sondern von seiner Gattin Klytemnästra und dem Liebhaber von Elektra gemordet.

Sonntag, 02.August, 19:16 Uhr

Götz Fried

Elektra Kritik von Herrn Neuhodd

Es trifft sicher zu, dass die drei Damen perfekt besetzt sind.
Dass Sie jedoch Ausrine Srundyte als Schwächste von den Dreien beurteilen, ist fast schon
ignorant. Was diese wunderbare Sängerin bis zum Ende leistet, ist atemberaubend.
Bis zur Selbstaufgabe schmeisst sie sich in diese physisch und psychisch so anspruchsvolle
Partie. Ist Ihnen das entgangen? Das wäre schade!

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