Am 2. August hatte Mozarts "Così fan tutte" in der Inszenierung von Christof Loy bei den Salzburger Festspielen Premiere. Es ist eine wahre Mozart-Sternstunde – angefangen beim eleganten und energischen Dirigat von Joana Mallwitz über die dezenten Kostüme bis hin zur ausgefeilten Personenregie. Nicht zuletzt kann das Sängerensemble auf ganzer Linie überzeugen. Diese "Così" knüpft nahtlos an die große Salzburger Mozart-Tradition an.
Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus
Die Premierenkritik zum Anhören
Sie ist das Herz der Aufführung: Mit welcher Souveränität und Umsicht die Dirigentin Joana Mallwitz ihr Ensemble und die Wiener Philharmoniker durch Mozarts musikalischen Kosmos steuert, ist phänomenal. Mit geschmeidiger Eleganz und nie nachlassender Energie folgt sie dem Puls der Musik, spannt weite Bögen, denkt immer nach vorne. Am Pult der Wiener Philharmoniker sorgt sie für kammermusikalische Empfindsamkeit – und dramatische Akzente. Da ist sie ganz auf der Höhe heutiger Mozart-Stilistik. Die Wiener Philharmoniker lassen sich gern mitreißen von ihr, legen sich mit Spiellust und Brillanz ins Zeug. Manchmal übertreffen sie sich selbst – wie die Hörner im zentralen Rondo der Fiordiligi. Und stets atmet Joana Mallwitz mit den Sängern, trägt sie auf Händen.
Christof Loy ist der Ästhet unter den deutschen Opernregisseuren. Seine stets geschmackssichere Inszenierung im Großen Festspielhaus überzeugt durch ihren minimalen äußeren Aufwand. In strenger Schwarz-Weiß-Stilisierung hat ihm Bühnenbildner Johannes Leiacker lediglich zwei klassizistische Doppeltüren in die Rückwand gesetzt. In ganzer Bühnenbreite mündet eine Treppe direkt in den Orchestergraben, man ist ganz nah dran am Geschehen. Kostümbildnerin Barbara Drosihn hat die Darsteller in zeitlos dezente Kostüme gesteckt – Despinas Corona-Mundschutz, den sie als falsche Ärztin trägt, ist das einzige Zugeständnis an die derzeitige Situation. Und einmal mehr erweist sich Loy als ausgefuchster Psychologe. In seiner ausgefeilten Personenregie zeigt er ganz heutige Menschen zwischen erotischer Anziehung, Koketterie und tiefer Verzweiflung. Auch Figuren, die gerade nicht singen, sind auf der Bühne präsent und beobachten dieses fragwürdige Menschenexperiment. Erstaunlich, wieviel Nähe, Umarmungen und Küsse in Corona-Zeiten möglich sind.
"Così fan tutte" in Salzburg 2020: Marianne Crebassa (Dorabella), Johannes Martin Kränzle (Don Alfonso), Elsa Dreisig (Fiordiligi) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Ihren besonderen Charme bezieht die Salzburger Aufführung nicht nur aus ihrem improvisatorischen Charakter, sondern vor allem aus der Jugendlichkeit ihres Ensembles: Fünf der sechs Protagonisten sind zwischen Ende Zwanzig und Mitte Dreißig. Aus der Reihe tanzt naturgemäß nur der lebenserfahrene Don Alfonso. Der hinreißende Johannes Martin Kränzle legt ihn zwischen Nonchalance und echtem Mitleid mit seinen Probanden als ambivalente Figur an: Von Anfang an sieht er das Unheil kommen. Mit ihrem kristallklaren Sopran hebt Lea Desandre die Despina weit über das übliche Soubretten-Geträllere hinaus. Und die Stimmen der beiden Paare ergänzen sich hervorragend. Andrè Schuen ist ein viriler Guglielmo, Bogdan Volkov ein strahlkräftiger Ferrando. Mit ihrem vollmundigen Mezzo begeistert Marianne Crebassa als Dorabella. Überragendes leistet Elsa Dreisig als Fiordiligi mit ihrem außergewöhnlich schönen, glockenhellen Sopran.
"Così fan tutte" – nein, so machen's nicht alle. Diese "Schule der Liebenden" ist vor allem eine modellhafte Lehrstunde, was heute in Sachen Mozart-Interpretation an Gesangstechnik und Stimmkultur möglich ist. Damit knüpft diese "Così" an die große Salzburger Mozart-Tradition an, an die Gesangsqualität und den Ensemblegeist. Was könnte es in unsicherer Zeit zum 100-jährigen Jubiläum der Festspiele Schöneres geben?
Am Samstag, den 15. August, sendet BR-KLASSIK um 19.30 Uhr den Mittschnitt von "Cosi fan tutte" in der Festspielzeit. Mehr Informationen dazu finden Sie hier.
BR-KLASSIK bringt die Salzburger Festspiele 2020 zu Ihnen nach Hause. Der runde Geburtstag "100 Jahre" wird mit einem Programmschwerpunkt im BR Fernsehen, im Radio und Onlineangebot von BR-KLASSIK gefeiert. Das vollständige Salzburg-Programm von BR-KLASSIK finden Sie hier.
Mehr Informationen zum Programm und Tickets auf der Website der Salzburger Festspiele.
Sendung: "Allegro" am 3. August 2020 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Donnerstag, 06.August, 12:01 Uhr
Helmut Saurbier
Cosi in Salzburg 2020
Gesanglich und darstellerisch eine Traumbesetzung! Joanna Mallwitz als Dirigentin Spitzenklasse und Inszenierung hervorragend. In jeder Beziehung ein kaum zu überbietender Genuss!
Dienstag, 04.August, 20:23 Uhr
Klaus Hüfner
Aufführung in ARTE der Cosy van tutte
Herzlichen Glückwunsch an Festspieldirektorin und Groß-Kapellmeisterin Frau JOANA MALLWITZ !
Schade, dass Karl Böhm und Richard Strauss nicht mehr leben. So eine "Cosy" hätten sie wohl
auch gerne miterlebt.
Klaus Hüfner aus Mülheim an der Ruhr, Deutschland
Dienstag, 04.August, 14:56 Uhr
Dietmar Cordan
Cosi Fan tutte, Salzburger F.Sp.m
Muss obigem Kommentar Recht geben. Für Salzburg ist es ein Glück sfall, solch einen Ferrando wie Bogdan Volkhof im ebenso erstklassigem Ensemble besetzen zu können. Für mich als ehemaliger Sänger ein wahres Erlebnis.
Dienstag, 04.August, 13:59 Uhr
Claus Linder
Cosi Fan Tutte
auch ich empfand diese Aufführung als Sternstunde, meine Kritik entspricht genau dem, was Herr Leipold zum Ausdruck gebracht hatte. Diese Paarkonstellation bezaubernd in Darstellung, in der Wärme, Natürlichkeit und den ausdrucksstarken Stimmen basierend auf der Jugendlichkeit war ein wahrer Genuss.
Don Alfonso souverän agierend und stimmlich hervorragend.
Die Inszenierung in ihrer Einfachheit ohne Schnickschnack hat diese Oper auf den Punkt gebracht.
Ein Musikerlebnis.
Montag, 03.August, 15:46 Uhr
Herold
Mozart
Sternstunde in Sachen Mozart-Interpretation :Kristallklarer Sopran, strahlkräftiger Ferrando, vollmundiges Mezzo und glockenheller Sopran, dies ist die ganze Auseinandersetzung mit den Stimmen dieser Aufführung. Für die Beschreibung einer Sternstunde reichlich wenig.