Sie gilt als Freiheitsoper, Beethovens "Fidelio". Die Themen Macht und Manipulation beschäftigen auch Regisseur David Hermann, der das Werk jetzt an der Deutschen Oper Berlin neu inszenierte. Für ihn sind alle Beteiligten Gefangene. Am Freitag war Premiere – und die überzeugte.
Bildquelle: Bernd Uhlig, Fidelio in der Regie von David Hermann, Premiere am 25. November 2022 in der Deutschen Oper Berlin
Es droht und lauert überall: das Gefängnis als anus mundi, als Unort, als Schreckensgewissheit nicht nur für die Opfer, also die Insassen, sondern auch für jene, die in Machtstrukturen und Manipulationen gefangen sind. Und das sind in Beethovens monolithischem Werk einige: Leonore als Fidelio will den Gatten befreien und spielt der Wärterstochter Liebe vor. Kerkermeister Rocco will nicht morden auf des Tyrannen Geheiß, gräbt aber das Grab für Florestan. Der Minister geriert sich als Befreier, stützt jedoch das System, den König.
Bildquelle: Bernd Uhlig, Fidelio in der Regie von David Hermann, Premiere am 25. November 2022 in der Deutschen Oper Berlin Regisseur David Hermann hebt genau diese Mechanismen des Unwahrhaftigen hervor, und sie geben selbst dem schönsten Quartett etwas Dämonisches. Alle sind sich fremd im großen, von hohen Mauern umgebenen Kerkersaal. An den Wänden hocken die Gefangenen in Ketten gefesselt, maskiert und erst individuell erkennbar ohne Fesseln und Masken im Sonnenlicht: "Oh welche Lust, in freier Luft den Atem leicht zu heben."
Nach Corona und Umbauten des Orchestergrabens ist Fidelio die erste Premiere ohne Einschränkungen im größten Opernhaus Berlins. Das Orchester unter Donald Runnicles findet nach einigen Bläserwacklern am Anfang zu seinem herrlich transparenten Klang, ohne zu viel Beethoven-Pathos, vielschichtig und lyrisch, kraftvoll und weich und zu Recht bejubelt.
Den Kerkermeister Rocco in grellorangener Hose, die Farbe der Gefangenen in den USA, singt Albert Pesendorfer nicht nur stimmlich überzeugend, sondern vor allem textverständlich. In der globalisierten Welt der Oper mit wunderbaren Stimmen hakt es trotz aller Übung immer wieder an der Artikulation. Ohne Übertitel ist auch Fidelio in weiten Teilen schwer verständlich. Die schwedische Sopranistin Ingela Brimberg singt Leonore stark, ab und zu rau und sehr dynamisch, Sua Jo als Wärterstochter Marzelline überzeugt mit einem herrlichen Sopran ohne Schärfe.
Bildquelle: Bernd Uhlig, Fidelio in der Regie von David Hermann, Premiere am 25. November 2022 in der Deutschen Oper Berlin Und Florestan, der in letzter Sekunde Befreite? Da stockt die Rezensentin kurz. Wir alle sind verwöhnt von Konserven und Spotify mit den besten Sängern in ihren Rollen und hören vor Ort mit einer dem Livegeschehen nicht angemessenen Erwartungshaltung. Es gab keine Buhrufe für Robert Watson wie in der Staatsoper, als er mit seinem Siegmund einen fürchterlichen Buhsturm überleben musste. In Quartette und Duette fügt sich sein Tenor wunderbar ein, seine große Arie jedoch "Gott, welch Dunkel hier. Oh grauenvolle Stille" klang gepresst und eher schwach. So auch Jordan Shanahans Pizarro. Buhs hat er dennoch nicht verdient. Insgesamt ist der neue Fidelio an der Deutschen Oper ein Erfolg und wird lange auf dem Spielplan für ein volles Haus sorgen.
Sendung: "Piazza" am 26. November 2022, ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Samstag, 26.November, 17:21 Uhr
Peter Sommeregger
Fidelio-Rezension
Ich bewundere die Fähigkeit Frau Ossowskis, sich selbst noch die schwächste Aiufführung schön zu reden. Kritische Würdigung geht anders.
Samstag, 26.November, 16:39 Uhr
Marta
Wucht von Ton und Bild
Ich teile die kritischen Kommentare nicht im Geringsten, nachdem ich gestern das Glück hatte, einen wunderbaren Abend in der DO zu verbringen. Ja, der Watson war sehr enttäuschend, das Orchester teilweise zu dominant, das war’s aber auch schon. Rocco, Leonore und Marzelline sowie der Chor waren großartig. Gerade die Reduktion im Text mit dem erdrückenden Bühnenbild und der kritische Zugang zu dem Begriff Freiheit (wer ist schon heutzutage wirklich frei und wann ist man frei?) haben mich gefesselt. Einige der kritischen Rezensionen sind unverschämt, am schlimmsten vom RBB. Da probiert jemand etwas Neues und alle stürzten sich auf ihn teils völlig substanzlos. Am 18.12 gehe ich nochmal hin, mit meinen Kindern, ich bin mir sicher sie werden eher durch diese Art der Inszenierung zu Operngängern als durch antiquierte, pompöse und als der Zeit gefallene Darstellungen, die sich manche Häuser immer noch leisten.
Samstag, 26.November, 11:09 Uhr
Wolfgang
Gewagte Prophezeiung
Andernorts war zu lesen, das "Kreativteam" (lustiger Euphemismus für Regisseur und Ausstatter) habe einen Buhsturm geerntet. Die Prophezeiung der Kritikerin im letzten Satz erscheint daher doch etwas gewagt.
Samstag, 26.November, 09:32 Uhr
Adrisn
Fifelio
Fake News schlechteste Oper seit langem
Samstag, 26.November, 08:52 Uhr
Christoph Siegl
Blöd war’s
Es war extrem doof, öde und niemand wird es sich ansehen. Kann mir nicht vorstellen, dass ein Zuschauer von gestern das seinen Freunden weiterempfiehlt.
Mir tun die Schulklassen jetzt schon leid, die durch diese Inszenierung abgeschreckt werden und dann nie wieder ein Opernhaus betreten, weil es so langweilig war.